Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a E i n l e i t ung , S E I T E 1 0 und deren Arrangements in Foto-Alben.6 All diesen Aspekten gilt es am Beispiel von Leopold Schönenberg nach- und auf den Grund zu gehen. Einiges, so ist bereits eingangs zu konstatieren, wird dabei jedoch offenbleiben müssen, da eine zentrale schriftliche Quelle fehlt, die das Verständnis für die Entstehungsgeschichte und die Inhalte der von ihm angefertigten Fotografien sicherlich erheblich erleichtert hätte: Die Briefe, die er aus der Hachschara in Rüdnitz und dann insbesondere aus Palästina nach Köln schrieb, sind leider nicht erhalten.7 Immerhin lässt sich in Teilen die - ihrem Sohn häufig wohl eher konträre - Sichtweise rekonstruieren, die Erna und Max Schönenberg in den Briefen zum Ausdruck brachten, die sie an ihren Sohn richteten. Aus ihnen lassen sich deren häufigen und mit großer Intensität unternommenen Versuche ablesen, aus großer räumlicher Entfernung und als stetig wachsend empfundener Distanz Einfluss auf dessen Einstellungen und Verhaltensweisen zu nehmen, die sich indirekt ebenfalls in 6 Sie weist sehr zu Recht darauf hin, dass die Legitimation der Bildforschung eng mit der Beantwortung der Frage verwoben sei, „ob ein Wissen aus den Bildquellen zu gewinnen ist, das jenes übersteigt oder wesentlich ergänzt, das wir auf parallelen Wegen - etwa durch Analyse und Interpretation textförmiger Quellen - gewinnen“. (Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 10) Das aber, so gilt es zu ergänzen, hängt ganz wesentlich davon ab, ob und in welcher Form solche Textquellen überhaupt überliefert sind. Auch auf diesen Aspekt wird mit Blick auf Leopold Schönenberg noch mehrfach einzugehen sein. 7 Auf die Seltenheit solcher Zeugnisse weist auch Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 201 hin. Sie seien auf der Flucht verloren gegangen oder mit dem Hab und Gut der Deportierten vernichtet worden. „Umso wertvoller sind die Briefe des 15-jährigen Ernst Loewy aus dem Kibbuz Kirjat Anavim an seine Eltern in Krefeld von 1936 bis 1938, die eine Rekonstruktion der subjektiven Perspektive eines Teilnehmers der deutschen Jugend-Alija ermöglichen.“ Dieser Schriftwechsel wird derzeit in einer Kooperation zwischen dem Deutschen Exilarchiv in der Deutschen Nationalbibliothek und dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln in vollständiger Form auf der Webplattform „Editionen zur Geschichte“ aufbereitet, um sie anschließend der Forschung zur freien Verfügung zu stellen. Vgl. dazu https://quellen.verschwundenes-sichtbar.de/info.aspx?id=62823. Bislang standen - und auch das lediglich in Auszügen - nur die Briefe von Ernst Loewy an dessen Eltern, nicht jedoch deren Antworten und jene eines Onkels öffentlich zur Verfügung. Künftig wird das nun für das gesamte überlieferte Briefkonvolut gelten. schara-Lager Schutz vor dem allgegenwärtigen Antisemitismus, Orientierung in einer unübersichtlich gewordenen Lebenssituation und reale Lebensperspektiven. Andererseits erzeugten die zionistische Ausrichtung der Bünde und die tendenziell eher rigide Hachschara-Erziehung einen Druck zur ideologischen Anpassung und Einordnung in ein stark reglementiertes Gemeinschaftsleben.“ Im dritten Abschnitt ihrer Studie widmet sich die Autorin dann noch den „Entwicklungen der Gemeinschaftsidee in Palästina“, die für die jungen Ankömmlinge aus Deutschland eine „völlig neue, existenzielle Erfahrung“ darstellten. In den in dieser Phase entstandenen „Bildern vom Anfang“ hätten sie sich selbst als Chaluzim, also als „Erbauer“ einer jüdischen sozialistischen Gemeinschaft, stilisiert und im Rahmen einer so entwickelten „zionistischen Aufbaufotografie“ Eingang in die nationale Bildsprache gefunden. Diese Form des Ausdrucks sei deshalb besonders wirkungsvoll gewesen, weil sie den ihrer Herkunft entwurzelten , allein auf sich gestellten und zumeist noch nicht des Hebräischen mächtigen Jugendlichen eine klare und visuell vergleichsweise einfach vermittelbare Identität angeboten habe. Bei all dem, darauf weist Ulrike Pilarczyk sehr zu Recht hin, sei der Druck auf die Jugendlichen zur Anpassung an das Kibbuz-Leben und die Kibbuz-Gemeinschaft enorm gewesen. So habe man von ihnen in aller Regel nicht weniger gefordert als eine sehr schnelle und „vollständige Loslösung von den eigenen kulturellen Wurzeln“. Für die zahllosen, aus ihrer spezifischen Lage erwachsenden Versuche, dem ihnen als alternativlos vorgestellten Lebensmodell zu entsprechen und es zu verinnerlichen, um sich dann anschließend selbst „in der neuen zionistischen Bildsprache zu entwerfen“, findet Pilarczyk zahlreiche Beispiele in den von ihr zusammengetragenen Fotografien

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