Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a Pa l ä s t i na , S E I T E 1 0 1 Schicksal nicht entrinnt, weder durch Assimilation noch durch Taufe. Nur dank der Vorarbeit anderer Juden haben in den letzten zwei Jahren 22.000 Juden aus Deutschland in Palästina Zuflucht gefunden.“ Ansonsten verstand sich der Streifen als Werbemittel für den Nationalfonds und den Palästina-Grundfonds („Keren Hajessod“), mithin als Aufforderung, sich am Aufbau des Landes in jedweder Weise zu beteiligen sowie in die „Zionistische Organisation als der Trägerin im Kampfe für Erhaltung jüdischen Lebens in Gegenwart und Zukunft einzutreten“.92 Der Erfolg des Films gab dessen Auftraggebern und Machern offenbar Recht. In ihm, so fasst Ulrike Pilarczyk dessen Wirkungsgeschichte zusammen, seien das Gehörte und das Gelesene „mit dem Gesehenen zu einem romantischen, auch abenteuerlichen eigenen Entwurf zukünftigen Lebens in Palästina“ verschmolzen . „‚Alija‘ – das war der Aufstieg von einer dunklen Vergangenheit in eine helle Zukunft, und der begann schon in Deutschland.“93 Insgesamt, so fasst sie ihre Erkenntnisse zusammen, sei den fotografisch und filmisch vermittelten Bildern „eine wichtige Funktion auf dem Weg der (…) körperlichen Teilhabe an der Erneuerung des jüdischen Volkes“ zugekommen.94 Das aber, so gilt es zu betonen, galt vornehmlich für Angehörige der jungen Generation. Die älteren Einwanderer aus Deutschland betraten ein ihnen trotz aller Aufklärungsversuche weitgehend unbekanntes Land voller Probleme. Sie waren zudem in aller Regel nicht zionistisch orientiert, stießen in eine für sie fremde Welt vor und fanden dort zunächst eher ein Asyl als eine Heimat vor.95 92 Jüdische Rundschau, 28.5.1935, S. 1. Die englische Version des Films ist einsehbar unter https://www. youtube.com/watch?v=QDoD6W2z01s. 93 Vgl. Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 129f. 94 Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 128 95 Vgl. Loewy, Jugend, S. 13 fen wird, des „Chaluzim“, der den neuen Typus des „Juden“ verkörpern sollte. Stolz aufgerichtet tragen solche Jugendliche Schaufeln, Hacken und Sensen, beschäftigen sich mit Technik und sind so bestens darauf vorbereitet, „Erez Israel“ zu besiedeln und aufzubauen.89 Neben der Fotografie wurde zur Entfachung einer möglichst umfassenden Palästina-Begeisterung unter der jüdischen Jugend Deutschlands auch das damals modernste Medium genutzt. Viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erinnerten sich zeitlebens an die Faszination, die die verschiedenen, sich bis 1938 schließlich auf rund ein Dutzend summierenden Palästinafilme unter ihnen hervorgerufen hätten.90 Insbesondere der erste Palästina-Tonfilm „Land der Verheißung“ („Land of Promisses“) aus dem Jahr 1935 habe in ihrer Generation eine geradezu romantische Sehnsucht ausgelöst 91 Am 17. Mai 1935 wurde dessen „Welturaufführung“ in Berlin angekündigt. Es handele sich bei demWerk, so hieß es, um einen „großen Kulturfilm“ mit „in technischer und photographischer Beziehung besonders gelungenen Aufnahmen“. Der Film, so hieß in einer im Rahmen seiner Uraufführung gehaltenen Rede, zeige „Bilder vom neuen jüdischen Leben in Palästina“. Das sei insbesondere getragen von Jüdinnen und Juden aus Russland und Polen sowie aus verschiedenen weiteren Ländern. „Auch die Juden aus Deutschland“, so hieß es mit kritischem Unterton weiter, hätten durchaus „ihren Teil zur Entwicklung des Landes beigetragen“. „Allerdings sind sie erst spät gekommen, nachdem das Geschehnis der letzten Jahre sie aus ihrer Satuiertheit und Gleichgültigkeit herausgerissen und auch sie hat erkennen lassen, dass der Jude seinem jüdischen 89 Vgl. Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 130f. 90 An deren Produktion waren zumeist der Keren Kajemet als Auftraggeber und die Palästina-Filmstelle der Zionistischen Vereinigung für Deutschland in Berlin beteiligt. Die Datenbank des vom Fritz Bauer Institut betriebenen Projekts „Cinematographie des Holocaust. Dokumentation und Nachweis von filmischen Zeugnissen“ scheint nicht mehr in Funktion zu sein. Vgl. www. cine-holocaust.de (24.5.2022). 91 Vgl. Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 129f.

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