M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a Pa l ä s t i na , S E I T E 1 0 2 neu installierte Mandatssystem war nämlich ein politisches Konstrukt, das den wenig erfolgversprechenden Versuch unternahm, einen Kompromiss zwischen der verbalen Forderung nach einem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ und den imperialistischen Ambitionen der faktisch den Ton angebenden europäischen Mächte zu finden. Auch wenn dieses Selbstbestimmungsrecht von allen Beteiligten „prinzipiell“ anerkannt wurde, verschob man dessen Realisierung wegen der angeblich „mangelnden politischen Reife“ der betreffenden Völker jedoch kurzerhand auf unbestimmte Zeit. Dabei wurde es - ganz in imperialistischer Tradition - als Aufgabe der Mandatsmacht erachtet, den hierzu notwendigen Zustand der „Reife“ zu definieren und herbeizuführen, um die ortsansässige Bevölkerung anschließend in die Unabhängigkeit entlassen zu können. Im Fall von Palästina kam als weiterer Hinderungsgrund noch hinzu, dass in der Balfour-Deklaration die britische Verpflichtung zur Errichtung einer „nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ festgeschrieben worden war. Auch wenn ein Zusatz festhielt, dass in Palästina nichts geschehen dürfe, was die zivilen und religiösen Rechte nichtjüdischer Gemeinschaften beeinträchtigen würde, war doch die Zündschnur an ein den Frieden zwischen arabischer und jüdischer Bevölkerung permanent bedrohendes Pulverfass gelegt worden. Da die Briten als Mandatsmacht die Verantwortung für die Errichtung einer jüdischen „Heimstätte“ übernommen hatten, war deren Zusammenarbeit mit dem Jischuv - so die hebräische Bezeichnung für die in Palästina heimische jüdische Bevölkerung - bei der Errichtung von politischen, gesellschaftlichen und der Sicherheit dienenden Institutionen zumeist sehr eng, während die Mehrheitsbevölkerung der Araber eher in den Hintergrund gedrängt wurde. Unter solchen Prämissen gelang es den jüdischen Bewohnern Palästinas in Kooperation mit der Mandatsregierung, in den folgenden Jahren mit Errichtung eines eigenen Erziehungssystems, von Sicherheitsdiensten, KrankenversicherunD i e pol i t i sche Lage i n Paläst i na Palästina bildete über Jahrhunderte keine eigenständige geographisch-politische Einheit. Stattdessen wechselten in diesem Gebiet Namen, Grenzen und sogar die Bevölkerung, die sich aus verschiedenen Gruppen zusammensetzte: aus arabischen Christen, Muslimen, Drusen, und Beduinen. Palästina war über Jahrhunderte Teil des Osmanischen Reiches.96 Erst mit dem Sieg der Briten über die türkischen Truppen kam der Landstrich 1917 unter britische Herrschaft, womit zugleich formal ein Verwaltungsdistrikt „Palästina“ eingerichtet wurde. Es dauerte bis 1921, bis mit der Abtrennung Transjordaniens und zwei weitere Jahre später mit der Verabschiedung des Mandatsstatus dann die endgültigen Grenzen Palästinas festgelegt wurden. Diese - das war von großer Bedeutung - wurden von britischer Seite ohne jede Rücksichtnahme auf die Wünsche der arabischen Bevölkerung gezogen. Im Jahre 1918 lebten nach Zählungen der britischen Militärregierung 573.000 Araber - rund zehn Prozent von ihnen Christen - und 66.000 Juden in Palästina. Bis 1936 sollte sich dieses Zahlenverhältnis nach einer massiven, insbesondere durch die NS-Machtübernahme im Deutschen Reich bedingten Einwanderungswelle deutlich verändern. Nunmehr standen 955.000 Araber - zwölf Prozent von ihnen Christen - etwa 370.000 Juden gegenüber, die damit auf 27 Prozent der Gesamtbevölkerung angestiegen waren. Es war aber nicht in erster Linie diese sich in hohem Tempo verändernde Zusammensetzung der Bevölkerung, die für die Zukunft einiges an Konfliktpotenzial in sich barg, sondern auch weitere durch Weltkrieg und Besatzungsregime geschaffene Fakten ließen für die Zukunft Palästinas nicht unbedingt Gutes erwarten. Das dort 96 Vgl. Thomas Philipp: Die Palästinensische Gesellschaft zu Zeiten des Britischen Mandats (2008) (https://www.bpb.de/internationales/asien/israel/44991/ gesellschaft-palaestinas?p=all - 24.5.2022). Hiernach auch das Folgende.
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