M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a Pa l ä s t i na , S E I T E 1 0 3 alle größeren wirtschaftlichen Investitionen im Lande entweder von den Briten oder dem jüdischen Jischuv getätigt wurden, war das völlige Fehlen einer modernen arabischen Wirtschaftselite oder Unternehmerschicht, wie sie sich zumindest teilweise in Ländern wie Ägypten oder Syrien entwickelt hatten. Damit verloren die alten arabischen Eliten zunehmend ihre Funktionen, Legitimation und Autorität, ohne dass ein adäquater und moderner Ersatz an ihre Stelle treten konnte. Spätestens mit dem Zusammenbruch des arabischen Aufstands 1939 gab es in Palästina daher keine funktionierende arabische Führungselite mehr. Der „Arab i sche Aufstand“ (1936-1939) Die konfliktbelastete Lage im Mandatsgebiet „Palästina“ führte immer wieder zu Unruhen, die 1929 erstmals eskalierten. Ab 1933 bargen dann die dramatische Zuwanderung von Jüdinnen und Juden aus dem nationalsozialistischen Deutschland erhebliches Konfliktpotenzial in sich. 1935 war die jüdische Einwanderungsrate mit rund 62.000 legalen Einwanderern höher denn je ausgefallen, und die vom Jüdischen Nationalfonds initiierten Landkäufe schlugen allein in diesem Jahr mit rund 73.000 Dunam zu Buche.97 Das alles bedingte eine erhebliche Verschärfung der Spannungen zwischen Juden und Arabern, die sich 1936 in einem Aufstand entluden, weil Letztere sich gerade durch den massenhaften Zuzug noch stärker als zuvor als alleinige Verlierer empfanden. Der Großteil der arabischen Bevölkerung lebte zwar auf dem Land, aber insbesondere in den Städten hatten die Lebensbedingungen häufig erschreckende Formen angenommen, weil viele der dort lebenden Araber mittlerweile ins Proletariat abgesunken waren. Der genaue Beginn des Aufstandes ist nicht 97 Vgl. Krämer, Palästina, S. 308 gen und der Gewerkschaftsbewegung „Histradut“ schrittweise zentrale Funktionen einer vorstaatlichen Gesellschaft auf- und auszubauen. Währenddessen befand sich der arabische Teil der Bevölkerung Palästinas, nachdem ihm nach 400-jähriger Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich sozusagen „über Nacht“ sein politischer Bezugsrahmen weggebrochen war, von Beginn an in einer schwierigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation. Erschwerend kam für sie hinzu, dass ein in Entstehung begriffener politischer arabischer Nationalismus kategorisch die Freiheit und Unabhängigkeit aller Araber forderte und daher keinerlei Bereitschaft zeigte, eine Aufteilung des Territoriums durch die Europäer anzuerkennen. Für und in Palästina existierten in dieser ohnehin äußerst schwierigen Lage keinerlei auch nur ansatzweise demokratischen Einrichtungen, die die Herausbildung einer politischen Elite hätten fördern können. Stattdessen versuchten die Briten zur Sicherung ihrer Herrschaft vor Ort eher rückwärtsgewandte traditionelle und religiöse Institutionen zu fördern oder gar völlig neu einzurichten. Hierzu zählte insbesondere die problematische Position eines arabischen „Großmuftis von Palästina“, dem mit der finanziellen Kontrolle über die frommen Stiftungen ein wirkungsvolles „innenpolitisches“ Machtmittel an die Hand gegeben wurde. Der erste Inhaber dieser Position war Mitglied der wohl wichtigsten Familie in Jerusalem, den al-Husainis, womit es der Besatzungsmacht gelang, diese einflussreiche Familie in eine Kooperation einbinden. Im Gegenzug versprach der junge „Großmufti“ Hajj Amin al-Husaini Ruhe im arabischen Teil der palästinensischen Bevölkerung. Tatsächlich gelang es ihm 15 Jahre lang, national-palästinensische Bewegungen zu schwächen und zu unterdrücken und so seine eigene Macht zu festigen. Erst als er im Zuge des 1936 beginnenden Aufstandes dazu überging, deutlich gegen die Briten Position zu beziehen, musste er auf deren Druck Palästina fluchtartig verlassen. Folge dieser politischen Entwicklungen und des Umstandes, dass nahezu
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