Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a A l i j a und Hachs chara , S E I T E 1 1 1 terstrichene Ziel zusammen, „wanderte nicht mit gesenktem Haupt aus Deutschland aus, sondern mit einem Lied auf den Lippen in Palästina ein: Alija – das war der Aufstieg von einer dunklen Vergangenheit in eine helle Zukunft, und der begann schon in Deutschland“.120 Auf dem Höhepunkt ihrer Ausdehnung bestanden Ende September 1938 insgesamt 94 Lehrstätten der Hachschara, die mittlerweile mehr als 5.500 Jugendliche beschäftigten und fortbildeten. Bereits wenige Wochen später mussten infolge des Novemberpogroms allerdings mehr als 30 dieser Ausbildungsgüter schließen; weitere wurden in den folgenden Monaten dazu gezwungen.121 Ende 1939 gab es reichsweit nur noch 28 Umschulungsstätten der Hachschara für Landwirtschaft, Gärtnerei, Forstwirtschaft und sonstige Bodenbearbeitung, die etwa 1.800 jun120 Vgl. Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 130. 121 Vgl. Döpp, Jugendbewegung, S. 155 ff. und Angress, Generation, S. 28 ff. Vgl. dort auch zum Folgenden. An anderen Stellen werden für die Zeit um 1934/35 abweichende Zahlen genannt. Eine Quelle etwa spricht für 1934 deutschlandweit von 15.000 auswanderungswilligen Chaluzim, von denen allerdings nur rund 3.500 auch Hachschara-Teilnehmer in einer von damals reichsweit erst 32 Einrichtungen waren. (Vgl. https://www.moz. de/lokales/eberswalde/hachschara-flucht-nach-palaestina-nach-der-ausbildung-in-eberswalde-50383347.html (27.5.2022). Die Reichsvertretung der Juden schätzte im Juni 1933 die Zahl jüdischer Heranwachsender zwischen sechs und 25 Jahren im Reichsgebiet auf insgesamt 116.961, von denen die rund 60.000 Angehörigen der Jahrgänge 1919 bis 1927 schulpflichtig waren. Durch Emigration sollte sich ihre Zahl in den folgenden Jahren halbieren. (Vgl. Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 101.) war die Bildsprache der zahlreichen Serien von Aufnahmen, die insbesondere Sonnenfeld in den Jahren zwischen 1935 und 1938 unter anderem in Schniebinchen, Ahrensdorf, Steckelsdorf und Rüdnitz auf Film bannte. Seine Protagonisten waren die Hachschara durchlaufende jüdische Jungen und Mädchen aus Deutschland, die sich in diesen Bildern wiedererkennen sollten und sich sicherlich auch gern wiedererkannten. Das geschah jedoch in fotografischen Arrangements, die mit ihren tatsächlichen Lebensverhältnissen eher wenig zu tun hatten.119 Realitäten spielten angesichts der stetig bedrohlicheren Lage, mit der sich auch die jüdischen Jugendlichen in Deutschland immer massiver konfrontiert sahen, aber wohl nur noch eine nachgeordnete Rolle. Es ging vielmehr zunehmend um eine Stärkung der jugendlichen Psyche, darum, mit Würde und Selbstbewusstsein den zahllosen antisemitischen Angriffen im eigenen sozialen Umfeld zu begegnen und die Heranwachsenden außerdem in ihrem Entschluss zur Auswanderung unter zionistischen Vorzeichen zu bestärken und zu festigen. Ein Chaluz, so fasst Ulrike Pilarczyk dieses nicht zuletzt durch entsprechend inszenierte Fotografien unlich. Zu dessen fotografischem Schaffen und zur inhaltlichen Analyse seiner Fotografien vgl. ebenda, S. 130ff. und Krüger, Sonnenfeld, passim. 119 Vgl. Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 130f. Urbach 10.-21. Hachscharah-Gruppe des Habonim in Nürnberg, 1936 Treffen (Pegischah) der Hechaluzleitung, Wilhelminenhöhe, September 1936

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