M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a A l i j a und Hachs chara , S E I T E 1 1 5 gen. Im Mai 1936 wurde zunächst die „Vorlehre“ ins Leben gerufen, die in den Räumen des ehemaligen jüdischen Kinderheims in der Lützowstraße 39 untergebracht wurde. Hier konnten Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren künftig die Grundlagen eines Handwerks erlernen: Jungen in der Schlosserei und Tischlerei, Mädchen im Bereich der „Nadelarbeit“. Unterrichtet wurde parallel aber auch Religion, Iwrit, Deutsch, Rechnen und Buchführung, um so eine möglichst breiter berufliche Einsatzmöglichkeit im weiteren Leben zu gewährleisten. 1937 folgte die Gründung der „Jüdischen Handwerkerschule“ in den Räumen des 1933/34 aufgelösten „Israelitischen Lehrlingsheim“ in der Utrechter Straße 6. Danach hatte der Kölner Hechaluz das Gebäude übernommen und es zu einem Hachschara-Zentrum umgestaltet, in dem die Absolventen der „Vorlehre“ sich in zweijährigen Kursen weiter zu Schlossern, Schmieden oder Schreinern ausbilden lassen konnten. Der 1916 geborene Heinrich Nezer, der Sohn des Leiters des jüdischen Lehrlingsheims, erinnerte sich später an die damals damit noch vielfach verknüpften Hoffnungen: „Ja, das war die Zeit, in der noch viele sagten: Wartet noch ein, zwei Jahre, dann hat sich der Hitler abgewirtschaftet.“131 Abschließend gilt es allerdings darauf hinzuweisen, dass die „Mittleren-Hachschara“ bei weitem nicht das bei ihrer Einführung erhoffte Ausmaß erreichte. So zählte man im Jahr 1937 in deren Einrichtungen reichsweit lediglich rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.132 Andererseits hätte diesen Jugendlichen ohne das Engagement der städtischen Synagogengemeinde wohl kaum effektiv geholfen werde können. 131 Vgl. Jüdisches Schicksal, S. 243-ff. Das Nezer-Zitat nach Becker-Jákli, Köln geliebt, S. 61. Zur Einrichtung der „Vorlehre“ in Berlin vgl. Jüdische Rundschau, 15.3.1935, S. 3, wo sie als „Mittelding zwischen Ausbildung und Eignungsprüfung“ klassifiziert wird. Die Lebensgeschichte des später ebenfalls nach Palästina ausgewanderten Heinrich Nezers findet sich auch unter https://quellen.verschwundenes-sichtbar.de/info.aspx?id=38121. 132 Die Darstellung folgt Döpp, Jugendbewegung, S. 155 ff. und Angress, Generation, S. 28 ff. Jugend-Alija endgültig eröffnet.129 Dieses Prozedere darf als klarer Beleg dafür interpretiert werden, dass es Henrietta Szold und der Jewish Agency in Jerusalem bei ihren jeweils individuellen Entscheidungen nicht primär um humanitäre Hilfe und um die Rettung möglichst vieler Jugendlicher vor dem NS-Regime ging, sondern vielmehr darum, die besten Kandidaten auszuwählen, die den Verantwortlichen am ehesten Gewähr dafür zu bieten schienen, eine ihren Idealen entsprechende Gesellschaft und Wirtschaft in Palästina aufbauen zu können.130 Wohl nicht zuletzt auch, um die Abhängigkeit von den ohnehin massiv überlasteten Hachschara-Einrichtungen in Brandenburg und anderen eher ländlich geprägten Regionen zu verringern, vielleicht aber auch, um auch jenen Jugendlichen Perspektiven zu geben, die deren hohen Ansprüchen nicht genügten, wurden auch die großen jüdischen Gemeinden in einigen Städten in dieser Hinsicht aktiv. In Köln etwa beantwortete man den Zusammenbruch des lokalen Ausbildungsmarktes für jüdische Heranwachsende mit zwei seitens der Synagogengemeinde gegründeten und getragenen neuen Einrichtun129 Vgl. Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 109f. 130 Vgl. Hitzeman, Jugend-Alijah. Vgl. auch Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 106. e 39, um 1937/38 Schreinerwerkstatt im ehemaligen jüdischen Lehrlingsheim in der Utrechter Straße 6
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