Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a E i n l e i t ung , S E I T E 1 2 lierten deutschen Juden beibehielt und sich nur sehr schwer mit zionistischem Gedankengut anfreunden konnte, eignete sich Sohn Leopold das ihm in neuen Lebensumfeldern nahegebrachte Gedankengut zumindest teil- und zeitweise an. Das eröffnete ihm für einige Bereiche seines Lebens in Palästina neue Perspektiven, die er, solange er mit seinen Eltern korrespondieren konnte, mit diesen - teilweise wohl recht heftig - diskutierte. Diese jeweiligen Perspektiven und deren Diskussion sind Gegenstand der folgenden Untersuchung. Dabei wird in unterschiedlichsten Kontexten immer wieder danach gefragt, wie sie sich entwickelten und wie sie sowohl verbal als auch visuell zum Ausdruck gebracht wurden. Im Mittelpunkt standen dabei damals wie heute jene Themen, die um die Auswanderung kreisten, um die Vorbereitung darauf ebenso wie um die Umsetzung in die anschließende Integration in Palästina. kreisten. Mit seinen Fotos zeigte Leopold Schönenberg seinen Eltern, wo und wie er lebte, um anschließend mit ihnen über sein neues Umfeld, dessen Anforderungen und Erwartungen sowie seine jeweiligen Standpunkte zu den neuen Herausforderungen zu korrespondieren. Auch wenn seine eigenen Briefe leider nicht erhalten blieben, hat es den Anschein, dass die Diskutanten keine einheitliche Linie mehr fanden. Nach der vierwöchigen gemeinsamen Reise durch Palästina reisten Erna und Max Schönenberg nach Europa zurück, ohne mit ihrem Sohn eine gemeinsame Linie in zentralen Fragen zur Emigration und zum Zionismus gefunden zu haben. Man verstand sich zwar weiterhin offenbar sehr gut, doch hatten beide „Parteien“ nun zwei deutlich unterschiedliche Perspektiven eingenommen und lebten in entsprechend verschiedenen Welten. Das alles wird hier mit deutlichem Fokus auf die Schönenbergs und auf der Grundlage der von ihnen „produzierten“ und hinterlassenen Materialien ausgebreitet und analysiert. Hinsichtjeweils in einen Text- und einen die Ausstellung wiedergebenden - in Teilen auch über diese hinausgehenden - Bildteil aufgeteilt und mit zeitlichem Schwerpunkt auf den 15 Jahren zwischen 1933 und 1948, die einzelnen Etappen im Leben von Leopold Schönenberg untersucht und dargestellt werden.12 In den jeweiligen Bildteilen werden dabei ausschließlich Fotos präsentiert, zu denen im Nachlass von Reuwen Schönenberg auch die Negative vorliegen, sie also nicht von professionellen Fotografen sondern definitiv mit seinem Fotoapparat belichtet wurden. Die weitaus meisten dieser Aufnahmen wurden damals von ihm selbst angefertigt, andere, insbesondere natürlich jene, auf denen er selbst abgebildet ist, von anderen Familienmitgliedern - vor allem wohl von Max Schönenberg. Das gilt selbstverständlich auch für die Fotos an Bord der „Sphinx“ während der Palästinareise von Erna und Max Schönenberg im Juni 1938. Diese Reise symbolisiert gepaart mit jener, die Leopold im Februar 1937 ebenfalls von Köln nach Palästina geführte hatte, in gewisser Weise das, was der Titel der hiermit vorgelegten Untersuchung und der dazugehörigen Ausstellung zum Ausdruck bringen soll: Die durch die Auswanderung des Sohnes getrennte Familie entwickelte seit Februar 1937 geradezu zwangsläufig unterschiedliche Perspektiven auf zahlreiche Bereiche ihres jeweiligen Lebens, die durch den Besuch der Eltern in Palästina dann nicht wieder zusammengeführt, sondern zumindest in Teilen eher vertieft wurden. Während insbesondere Vater Max Schönenberg seine über Jahrzehnte geprägten Sichtweisen des weitgehend assimi12 Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 201, betont, dass die in privaten Alben überlieferten Fotos von jugendlichen Neuanfängen in Palästina „derart disparat“ seien, „dass sie sich ohne Kenntnis der konkreten Lebensgeschichten vorerst bildanalytischer Auswertung sperren“ und kein „kollektives Selbstbild der deutschen Alija nach 1933“ rekonstruieren ließen.“ Zu verschieden waren die Ausgangsbedingungen und die Wege in die Kibbuzim, die soziale Herkunft, der weltanschauliche Hintergrund.“ Das trifft trotz allem Wissen über seinen persönlichen Lebensweg natürlich auch auf das Beispiel Leopold Schönenbergs zu.

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