Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a A l i j a und Hachs chara , S E I T E 1 2 2 Zwecken dienen: einmal bedeutet er eine Prüfung des Jugendlichen, ob er überhaupt als reif für die Jugend-Alija bestätigt werden kann, zum anderen sollen die jungen Menschen in dieser Zeit untereinander und mit dem Führer bekannt und vertraut werden, denn sie sollen ja späterhin zwei Jahre lang in Palästina zusammenleben“. Dass das wohl nicht ganz ohne Probleme und Reibereien erfolgen würde, legte schon die soziale Zusammensetzung der sich jeweils völlig neu zusammenfindenden Gruppen nahe. Die erste jedenfalls war „bunt zusammengewürfelt“ und „aus allen Teilen des Reiches“ nach Rüdnitz gekommen: „aus ostjüdischen und westjüdischen Familien, aus den verschiedensten sozialen Schichten, aus gutbürgerlichem wohlsituiertem Herkommen ebenso wie aus verarmten kleinbürgerlichen Kreisen“. Das „Einleben in eine neue Welt“, so kommentierte der Rüdnitzer Lagerleiter, sei „für fast alle“ rasch vonstattengegangen. Die am Lehrgang Teilnehmenden hätten „gewohnte Annehmlichkeiten schnell vergessen“, wobei vielen diese Anpassung aufgrund ihrer vorherigen Erfahrungen in Jugendbünden sehr erleichtert worden wäre. „Fünf Stunden am Tag wird gearbeitet, 1½ Stunden dienen dem hebräischen Unterricht, den die Jungen und Mädel sehr wichtig und ernst nehmen. Wissensmäßiger Unterricht, Diskussionen von gutem Niveau und vor allem Sport, in dem sie ganz auf der Höhe sind, füllen den Rest des Tages.“ Neben all diesen Aspekten wurde seitens der Lagerleitung auch der „Gestaltung des Schabbat“ eine große Bedeutung beigemessen, zugleich aber betont, dass nicht wenige der jungen Lagerinsassen „der Bedeutung des Religiösen nicht genügend Verständnis entgegenbringen“ würden. Hier müsse „die verantwortungsvolle Tätigkeit des Führers“ einsetzen, um den Jugendlichen den „Wert religiöser Formen“ näherzubringen.153 - Das während des Aufenthalts erreichte Ausbildungsniveau, so kann hier aus bislang bekanntgewordenen Informationen nochmals geschlussfolgert wer153 Jüdische Rundschau, 21.6.1935, S. 11. und gegen den ausdrücklichen Willen seiner Mutter zur Auswanderung nach Palästina entschlossen hatte, weilte Siegfried von Juni bis November 1935 ebenfalls in Rüdnitz, wo er laut eigener Darstellung mangels personeller Alternativen ungeplant Leitungsfunktionen übernahm: „In Rüdnitz war ich der Einzige mit einer landwirtschaftlichen Vergangenheit. Unter meiner Leitung wurden die Jugendlichen und Kinder in Gruppen eingeteilt und lernten erst einmal Unkraut jäten. Dann brachte ich Ihnen bei, wie man pflanzt, was Blumenkohl oder Erdbeeren sind - alles Arbeiten, bei welchen man sich bücken muss oder der Körper sich um 90 Grad krümmt.“ - Eine besondere Qualitätsstufe konnte eine solche Form rudimentärer Ausbildung kaum erreichen. Über den Alltag in Rüdnitz berichtete Mitte 1935 auch die „Jüdische Rundschau“. Als am 24. Juni der Abschied der ersten Gruppe hier „ausgebildeten“ und anschließend ausgewählten Gruppe anstand, veröffentlichte das Blatt einen mit „Hachscharah der Jugend“ überschiebenen, bebilderten Artikel über einen „Besuch im Vorbereitungslager der Jugend-Alijah“, der die Herrichtung des Lagers und die dortige Ausbildung thematisierte. „Seit Anfang März erst dient dieses Haus, zu dem zwölf Morgen Land und viel Wald gehören, diesem Zweck. Die erste Gruppe von Jugendlichen, die hier vier Wochen zubringen, ist eben noch dabei, das ziemlich verwahrloste Haus von Grund auf instandzusetzen. Alle 18 Mädel und 22 Jungen arbeiten mit viel Geschick und gutem Eifer. Betten haben sie selbst gebaut, die Strohsäcke, auf denen sie schlafen, gefüllt, die Zimmer getüncht, die Fenster gestrichen. Vom Keller bis zum Dachboden, von den Waschräumen bis zur Kofferkammer richten sie alles selbst her.“ Das alles hört sich nach großem Engagement, zugleich aber auch nach einem außerordentlich niedrigen Grad an Komfort an, was ja durchaus den Intentionen einer Vorbereitung auf ein eher karges Lebens in einem Kibbuz entgegenkam. Der vierwöchige Aufenthalt, so heißt es in dem Artikel weiter, solle „zweierlei

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