M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a A l i j a und Hachs chara , S E I T E 1 2 4 Es wirkt erstaunlich, dass Leopold selbst nach dem Scheitern in Rüdnitz als eigentliche Hauptperson offenbar gar nicht mehr direkt in die familiäre Entscheidungsfindung über sein weiteres Schicksal eingebunden wurde.160 Das mag darin begründet gewesen sein, dass es neben der Jugend-Alija für seine Altersklientel Mitte 1936 faktisch kaum noch erfolgversprechende Auswanderungsalternativen gab und daher Eile geboten schien. Vor allem aber kam die entscheidende Anregung zur Neuorientierung vermutlich aus Kreisen des „Central-Vereins“ (C.V.), dem Max Schönenberg ja aus voller Überzeugung angehörte. Diese einer möglichst weitreichenden Assimilation der jüdischen Bevölkerung zuneigenden 160 Er vermutete später, dass seine Eltern gemeinsamen mit jenen von Otto Spier nach der Lösung gesucht und den gemeinsamen Weg ihrer Söhne dann beschlossen hätten. Schönenberg nicht mit dem erhofften (?) Erfolg. „Am Ende der Hachschara mussten die Leiter bestätigen: ‚Der kann fahren, der kann fahren …‘“, fasste er das Ergebnis der vier Wochen im Lager später zusammen. „Aber ich habe die Prüfung dort nicht bestanden, weil ich, so sagte man mir, zu sehr Individualist war. Ich war kein - wie die das sagten - „Chewrat“-Mann, Gemeinschafts-Mann. Ich war Individualist. Und in Palästina, so sagte man mir, braucht man Idealisten und Gemeinschaftsdenkende. Ich bin nicht angenommen worden. Ich galt als nicht dafür fähig.“157 Wenn auch unklar bleibt, ob Leopold die Ablehnung tatsächlich als persönliche Niederlage empfunden hat, war sie angesichts der sich zuspitzenden Lage natürlich ein Rückschlag. Das empfand auch sein palästinakritischer Vater Max, der bereits im November 1935, als sein Sohn seine Schlosserlehre angetreten hatte, in sein Tagebuch notiert hatte: „Hoffentlich können wir solange uns halten, bis Pold in Palästina ist.“158 Dieses Ziel war nun - von der Familie vermutlich völlig unerwartet - in Gefahr geraten, so dass die sich unmittelbar aufdrängende Frage des „Was nun?“ schnellstmöglich gelöst werden musste. Es deutet alles darauf hin, dass es Max Schönenberg war, der umgehend aktiv wurde, wobei ihm offenbar der Zufall zur Hilfe kam. „Ich weiß nicht, wie meine Eltern darauf kamen“, fasste Reuwen Schönenberg die verzwickte Lage zur Jahresmitte 1936 zusammen. „Wahrscheinlich hörten sie irgendwo in der Presse von einer Fachschule, die in Yagur aufgemacht werden sollte; Werkstätten für Schlosser und für Schreiner. Da haben sie mich eingeschrieben, und dort bin ich angenommen worden.“159 157 Audio-Interview mit Reuwen (Leopold) Schönenberg, NS-DOK, Tk933, ab 52:40. 158 Tagebuch Max Schönenberg, Eintrag vom 20.11.1935. 159 Audio-Interview mit Reuwen (Leopold) Schönenberg, NS-DOK, Tk933, ab 54:25. Leopold Schönenberg trieb seine praktische Ausbildung in Köln parallel weiter voran. So absolvierte er etwa vom 13.10. bis zum 22.12.1936 einen „Gasschmelz-Schweißkurs“ beim „Verband für autogene Metallbearbeitung“, was darauf schließen lässt, dass er zu dieser Zeit noch immer Schlosserlehrling bei der Firma Tarrasch war.
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