Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a A l i j a und Hachs chara , S E I T E 1 2 5 de gemeinschaftlich die Grundlage geschaffen.“162 Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte aus den Reihen des C.V. selbst wird die neue Einrichtung auch Max Schönenberg nicht nur bekannt gewesen sein, sondern dürfte ihm auch den Schritt, seinen Sohn dort anzumelden erheblich erleichtert haben.163 Auch wenn nicht überliefert ist, wie und wann er davon erfuhr und zu welchem Zeitpunkt und nach welchem genauen Procedere er seinen Sohn dort anmeldete, steht doch fest, dass das trotz dessen negativen Rüdnitz-Beurteilung offenbar weitgehend problem- und offenbar auch eher formlos geschah. Reuwen Schönenberg konnte sich später jedenfalls an keine Aufnahmeprüfungen oder gar Vorbereitungslager auf deutschem Boden entsinnen. Es habe sich, so die einzig vage Erinnerung an diese Zeit unmittelbar vor seiner Auswanderung, wohl vorrangig um Gleichaltrige „aus dem Kölner Bezirk“ gehandelt, die sich vor der Abreise lediglich ein Mal getroffen habe. Wichtiger als allgemeine Formalien war damals offenbar die Frage der Finanzierung dieser Form der Jugend-Alija. Auch im Hause der einst zwar nicht reichen, aber doch recht wohlhabenden Arztfamilie Schönenberg machten sich aufgrund des durch Einschränkungen und Verbote schrumpfenden Einkommens kontinuierlich wachsende Geldsorgen breit. Dennoch setzten Erna und Max Schönenberg alles daran, ihrem Sohn die Auswanderung nach Palästina zu ermöglichen und dafür jedes finanzielle Opfer in Kauf zu nehmen. „Da musste man drei Jahre im Voraus bezahlen“ beschrieb Reuwen Schönenberg rückblickend und noch immer voller Dankbarkeit die hohe finanzielle Belastung seiner Eltern.164 162 Reichsvertretung, Eröffnung, S. 5. 163 Im Mai 1935 notierte er in dieser Hinsicht in seinem Tagebuch: „Wir sind nicht mehr Bürger, nur noch Reichsangehörige. Meine C.V.-Erziehung macht es mir schwer, mich in die neuen Verhältnisse zu schicken. Die Zionisten haben es innerlich leichter. Durch die Verhältnisse ist der Zionismus sehr gewachsen und vor allem ist Palästina uns sehr nahe gerückt. Viele Tausende deutscher Juden sind jetzt dort. Das Land nimmt einen ungeahnten Aufschwung.“ 164 Audio-Interview mit Reuwen (Leopold) Schönenberg, und daher jegliche zionistischen Bestrebungen lange Zeit ablehnende Organisation hatte angesichts des zunehmenden Antisemitismus und auf Druck jüngerer Vereinsmitglieder gegen Ende der Weimarer Jahre eine langsame Kehrtwendung eingeleitet und sich schrittweise einem etwaigen Engagement in Palästina angenähert. Treibende Kraft dabei war der 1897 geborene Aachener Arzt Ludwig Tietz, der sich bis zu seinem Freitod im November 1933 intensiv in der jüdischen Jugendhilfe engagierte.161 Zugleich war er stellvertretender Vorsitzender des C.V. In dieser Doppelfunktion versuchte er die bisherigen erbitterten Gegensätze zwischen Verein und Zionisten zu versöhnen. Dazu verfasste er mit Friedrich S. Brodnitz 1928 eine Denkschrift, die als „Grundlage einer Debatte über die allgemeine Politik des CV“ gedacht war. Deren „Kernstück“ war nach rückblickender Darstellung von Brodnitz ein Plädoyer dafür, „den engstirnigen Antizionismus so vieler der älteren deutschen Juden aufzugeben und sich aktiv an der Mitverantwortung für den Aufbau Palästinas zu beteiligen“. Damit wurde Ludwig Tietz schließlich indirekt zum Initiator und einer Art „Schutzpatron“ einer mehr als drei Jahre nach seinem Tod eröffneten Einrichtung für nach Palästina eingewanderte jüdische Jugendliche - im Übrigen der ersten, die dort offiziell nach einem „Nichtzionisten“ benannt wurde. Damit wurde sein Streben nach Annäherung zwischen assimilatorischen und zionistischen Richtungen im deutschen Judentum laut gemeinsamer Verlautbarung zumindest ein Stück weit in die Tat umgesetzt: „Die Ludwig Tietz-Lehrwerkstätte ist als eine Gemeinschaftsleistung der Juden in Deutschland errichtet worden: unter Führung der Reichsvertretung der Juden in Deutschland haben die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugend-Alija, der Jüdische Central-Verein, der Hilfsverein der Juden in Deutschland und die Berliner Jüdische Gemein161 Vgl. zu seiner Person v.a. Horn, Jugend. Dort, S. 93f., und in Reichsvertretung, Eröffnung, S. 41f. auch das Folgende.

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