M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a D i e L udw i g T i e t z - L e hrwe rks tat t, S E I T E 1 4 2 lich anderes Klima erwartet und - zumeist ohne jede Zeit des Übergang und der Eingewöhnung - auch konsequent vollzogen. So musste in den meisten Fällen von einem an (groß-) städtische Umstände angepasstes Leben auf ein solches auf dem Land mit ungewohnter und harter körperlicher Arbeit und gänzlich anderem Tagesverlauf „umgeschaltet“ werden, ohne dass der frühere wirtschaftliche, soziale oder berufliche Status der Jugendlichen dabei noch eine Rolle gespielt hätte. Die meisten von ihnen traten aus einer kapitalistisch geprägten Lebenswelt über in eine Kollektivwirtschaft mit oft stark sozialistisch geprägter Weltanschauung. Aus der Geborgenheit ihrer bürgerlichen Familienzusammenhänge mussten sie sich ohne eine adäquate Vorbereitung lösen und zur Kenntnis nehmen, dass sie sich - hierin ohne Alternative - in Gemeinschaften ohne jede Privatsphäre einzupassen hatten. Das waren gewaltige Herausforderungen sowohl an die Verantwortlichen der Jugend-Alija als natürlich auch an die Neuankömmlinge selbst, die neben deren angemessenen Ausbildung insbesondere eine Unterstützung sowohl in pädagogischer als auch in sozialer Hinsicht zwingend erforderte.175 Ungeachtet allen Engagements der Beteiligten erscheint es eher zweifelhaft, ob die hierauf letztlich nicht ausreichend vorbereiteten und in ihrer personellen Zusammensetzung für derartige Herausforderungen auch kaum geeigneten Kibbuzim dieser Aufgabe gerecht wer175 Vgl. hierzu Szamet, Jahr, S 198. Diesen hohen Anforderungen zeigten sich viele der Jugendlichen nicht gewachsen. So beklagte etwa Chanoch Reinhold in seiner Analyse des ersten Jahrs der Jugend-Alija „das spezifisch deutsche Verständnis von Arbeit“ der jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die aufgrund ihres bürgerlichen Hintergrunds körperliche Arbeit nicht gerade schätzten würden. (Zitiert nach Szamet, Jahr, S 214.) Nach der Ankunft sah die Jugend-Alija einen festgeschrieben Ablauf vor: Die Jugendlichen wurden für zwei Jahre in einer Gemeinschaftssiedlung - in aller Regel einem Kibbuz - untergebracht, wo sie künftig lebten und versorgt wurden und zugleich meist in der Landwirtschaft, teilweise aber auch in handwerklichen Berufen Unterricht und Ausbildung erhielten. Nach deren Abschluss, so das angestrebte Ziel, sollte die gemeinsame Ansiedlung („Hitjaschwuth“) der jeweiligen Gruppen in ländlichen Gebieten Palästina stehen. Bei all dem zeichnete vor Ort Henrietta Szold, nun vielfach als „Mutter der Jugend-Alija“ bezeichnet, für die Organisation und Durchführung und somit auch für das Wohl der Jugendlichen zuständig.174 Für die Alija-Gruppe, mit der Leopold Schönenberg und Otto Spier ins Land kamen, galten aufgrund abweichender Strukturen allerdings modifizierte Regeln, die sowohl die Dauer der Ausbildung als auch die Unterbringung und die Integration ins Kibbuz-Leben betrafen. Die Veränderungen waren in jedem Fall aber für alle imRahmen der „Jugend-Alija“ nach Palästina kommenden Jugendlichen enorm, denn von allen wurde ein radikaler Wechsel in Sprache und Lebensstil sowie eine Anpassung an ein gänz174 Vgl. Loewy, Jugend, S. 15f. D i e Ludwi g T i etz- Lehrwe Die Überfahrt nach Palästina war für die meisten Jugendlichen wohl Abenteuer und wehmütiger Abschied zugleich.
RkJQdWJsaXNoZXIy MTI5NTQ=