M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a D i e L udw i g T i e t z - L e hrwe rks tat t, S E I T E 1 4 3 die nunmehr auch im Zuge der Jugend-Alija eingesetzt wurde. Zugleich wurden deren Teilnehmer vor Ort dazu angehalten, auch ihre in Deutschland zurückgebliebenen Familienangehörigen zur Lektüre anzuregen. Der kurz zuvor emigrierte Ernst Loewy etwa schrieb am 5. Mai 1936 an seine Eltern: „Ich bitte Euch darum, Euch vom K. K. L., Berlin, Meinekestr. 10, für 25 Pfg. das Heft schicken zu lassen: ‚Tatsachen und Probleme Palästinas‘. Da werdet Ihr alles Wichtige, was Ihr (auch in politischen Dingen) wissen müßt, drin finden. Laßt es Euch unbedingt schicken. Über einzelne Dinge werde auch ich Euch demnächst ein wenig ‚Fernunterricht‘ geben.“176 Eines solchen „Fernunterrichts“ bedurften die meisten Eltern zu Beginn der Auswanderungszeit ihrer Kinder tatsächlich. Die so vorgestellten Themen wurden dann oft zur Grundlage eines Meinungsaustauschs, in dessen Verlauf häufig - und aus Sicht der Eltern zumeist schmerzhaft - deutlich wurde, dass sich die Sicht auf bestimmte Dinge und die Beurteilung von Handlungsoptionen aufgrund einer veränderten Perspektive weit auseinanderentwickelten. Ehe das am Beispiel der Schönenbergs näher untersucht wird, gilt es zunächst die Einrichtung näher vorzustellen, die Sohn Leopold nach seiner Ankunft in Palästina für drei Jahre besuchen sollte.177 176 Loewy, Jugend, S. 56. Die Broschüre ist einsehbar unter https://quellen.verschwundenes-sichtbar.de/ info.aspx?id=62883. 177 Mit der Auswanderung nach Palästina setzte eine Korrespondenz zwischen Eltern und Großmutter auf der einen und Sohn bzw. Enkel auf der anderen Seite ein. Dieser - leider nur einseitig überlieferte - schriftliche Austausch eröffnet, wenn auch nur indirekte, so den konnten. Das galt umso mehr, als die Zahl der nach Palästina drängenden Jugendlichen angesichts der politischen Verhältnisse in Europa schnell anstieg und der „Arabische Aufstand“ die Lage vor Ort seit 1936 nochmals erhebliche verschärfte und für die Einwanderer erschwerte. In jedem Fall bedeutete der Neuanfang in einem bislang unbekannten Land in vielerlei Hinsicht zugleich auch einen Perspektivwechsel: Für Eltern, die die Erziehung ihrer Kinder weitgehend aus der Hand geben mussten, was gerade in Zeiten der Pubertät schwierig war und - was am Beispiel von Erna und Max Schönenberg zu skizzieren sein wird - zu teilweise verzweifelt anmutenden Versuchen führte, aus weiter Ferne doch noch Einfluss zu nehmen. Für die Heranwachsenden, die sich erstmals allein auf sich gestellt zurechtfinden und eigenständige Entscheidungen treffen mussten - und das in einer völlig neuen, nicht nur für sie, sondern auch für die fernen Eltern völlig fremden Umgebung unter ebenso unbekannten Umständen. Da die Alija-Verantwortlichen zurecht erwarteten, dass die neu im Land eintreffenden Jugendlichen von Eltern, Freunden und Verwandten geradezu mit Fragen überhäuft und - selbst ja großteils noch unwissend und nach Orientierung suchend - mit deren Beantwortung überfordert sein würden, griffen sie auf eine Broschüre zurück, die der Deutsche Landesverband des Hechaluz bereits im Februar 1934 zu Schulungszwecken für potentielle Einwanderer erstellt hatte. Unter dem Titel „Tatsachen und Probleme Palästinas“ wurde in Zusammenarbeit mit dem Habonim Noar Chaluzi eine ursprünglich zur Nutzung im Rahmen von Heimabenden gedachte „Materialsammlung“ herausgegeben, erkstatt
RkJQdWJsaXNoZXIy MTI5NTQ=