Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a D i e L udw i g T i e t z - L e hrwe rks tat t, S E I T E 1 5 0 ten natürlich, dass auf dem Weg zu dem von ihnen skizzierten Ideal des Zusammenlebens zahlreiche Hindernisse aus dem Weg zu räumen waren. Was auf dem Papier und somit in der Theorie modern und ein Stück weit revolutionär anmutete, konfrontierte die Heranwachsenden oft mit Anforderungen, denen sie sich - zumindest anfangs - nicht gewachsen zeigten. Vielfach wurde ihnen eine Grundorientierung und ein Verhalten abverlangt, die sie, vielleicht bis auf erste, und dann eher wohl theoretische Ansätze in der zionistischen Jugendbewegung, in ihrer früheren Welt nicht kennengelernt hatten. Sie widersprachen zudem sehr häufig fundamental den Prinzipien jener Erziehung, die sie in ihren Elternhäusern und den von ihnen in Deutschland besuchten Schulen erfahren hatten. Das wurde durchaus erkannt und in Rechnung gestellt: „Die Kwuza ist reich an Problemen und inneren Schwierigkeiten. Nicht leicht können sich Menschen, die in einer individualistischen Atmosphäre aufgewachsen sind, in ein von Grund auf anderes, kollektivistisches Leben einfügen. Nicht leicht können sich solche Menschen zu der in der Kwuza erforderlichen erhöhten Rücksichtnahme aufeinander durchringen.“ Die Frage war dann aber natürlich, inwieweit man sich in den Gruppen und Orten zu entsprechenden Zugeständnissen durchringen und diese gemeinsam „leben“ konnte. Da für Leopold Schönenberg in dieser Hinsicht keine direkten Schilderungen und Urteile aus seiner Feder vorliegen, lassen sich seine Einstellung zu bestimmten Punkten lediglich indirekt aus den als Reaktion auf seine brieflichen Äußerungen von seinen Eltern formulierten Stellungnahmen extrahieren. Zur Veranschaulichung der häufig wohl sehr schwierigen Lage einzelner Jugendlicher sei hier deshalb die beispielhafte Stellungnahme des gleichaltrigen Ernst Loewy vorgeschaltet, der bereits ein Jahr zuvor mit der Jugend-Alija von Krefeld aus nach Palästina ausgewandert war und seitdem im Kibbuz Kirjat Anavim lebte. Nachdem er Ende März 1936 dort angekommen war, wartete er mit Bedacht einige Arbeit der Kwuzamitglieder, sowohl von der Eigensiedlung und den Werkstätten als auch von der Lohnarbeit von verschiedenen Arbeitgebern, gehen der gemeinsamen Kasse der Kwuza zu. Die Eigenwirtschaft und alle Stellen bei der Lohnarbeit gehören der Kwuza-Gesamtheit und sind nicht teilbar.“ Damit wurde die Kwuza zur Instanz, die „für die Bedürfnisse ihrer Chawerim (Mitglieder, Genossen)“ sorgte und hierbei keinerlei Unterschiede kannte. „Die Chawerim bekommen kein gestaffeltes Gehalt je nach Beruf, Stellung oder ‚Leistung‘, wie es sonst üblich ist. Alle Chawerim sind für die Kwuza gleich in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Aus der gemeinsamen Kasse werden die Ausgaben für Wohnung und Gemeinschaftsverpflegung, für Kleidung und Erholung, für Kindererziehung und Altersversorgung, für fachliche Ausbildung und Kulturzwecke bestritten.“ Erst wenn nach Befriedigung all dieser Bedürfnisse ein Überschuss verblieb, konnte der „jedem Einzelnen für seine persönlichen Bedürfnisse frei zur Verfügung“ stehen. Als Basis für die angestrebte Gleichheit galt das „Recht aller Menschen auf persönliche Rücksichtnahme“. „Nicht automatische Gleichmacherei, sondern das gleiche Recht aller Chawerim auf Entwicklung und Würde ist der Geist der Kwuza.“ All das fand auch Niederschlag in der Anlage und baulichen Gestaltung der neu zu errichtenden Siedlungen: „Im Mittelpunkt der Kwuzasiedlung steht die gemeinsame Esshalle und Küche und die Kinderhäuser. In den neuen Kwuzoth sind es meistens Holzhäuser, in den älteren große Steinbauten. Zu den gemeinschaftlichen Einrichtungen gehören die Bäckerei, das Kleidermagazin, wo jeder Chawer seine Kleiderfächer hat, die Nähstube und die Schusterei. Die meisten Kwuzoth haben Lese- und Musikzimmer.“ - In das Musikzimmer des Kibbuz Jagur fanden im Übrigen die Klaviernoten von Erna Schönenberg Eingang, nachdem sie ihr Klavier aufgrund zunehmender finanzieller Engpässe im Sommer 1938 hatte verkaufen müssen. Die Verantwortlichen der Jugend-Alija erkann-

RkJQdWJsaXNoZXIy MTI5NTQ=