M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a D i e L udw i g T i e t z - L e hrwe rks tat t, S E I T E 1 5 6 sicherlich auch mit einem zweiten, sozusagen naturgegebenen Phänomen zusammen. Das ihm zunächst so ungewohnte Leben in der Kwuza war nämlich lediglich eine der gravierenden Folgen der Emigration, die - zunächst erzwungene - Emanzipation von den Eltern eine kaum minder gewichtige zweite. Das lässt sich aufgrund des Verlusts von Leopolds Briefen allerdings nur indirekt aus jenem ableiten, die Ernst Loewy bis Ende Oktober 1938 an seine Eltern in Krefeld richtete. In ihnen spiegelt sich neben dem Alltag im Kibbuz und den hieraus resultierenden Problemen auch der Prozess des Erwachsenwerdens wider. Das empfand der mittlerweile 18-Jährige auch selbst. Die Eltern, so schrieb er in seinem letzten nach Krefeld gerichteten Brief am 19. Oktober 1938, fänden, wenn sie in naher Zukunft selbst nach Palästina übersiedeln würden, dort nicht mehr „das kleine Ernstchen“ vor, „das Euch vor zweieinhalb Jahren verlassen hat“, sondern „einen erwachsenen Menschen“. „In meinen Jahren wird man schnell alt, besonders wenn man jahrelang auf sich allein angewiesen ist.“205 - Ähnliches dürfte auch für Leopold Schönenberg gegolten haben. 205 https://quellen.verschwundenes-sichtbar.de/info. aspx?id=63386. Briefen sehen, wie wohl Du Dich in der neuen Heimat fühlst und wie fest Du Dich schon dort verwachsen und zugehörig betrachtest. Möge es Dir vergönnt sein, dort Dir ein zufriedenes Leben aufzubauen“, schrieb Vater Max etwa im März 1938. 203 Dem musste auch Mutter Erna schließlich immer unumwundener beipflichten, wobei das Novemberpogrom mit seinen Folgen die permanente Besorgnis sicherlich auch ein Stück weit in Erleichterung umschlagen ließ. Im Januar 1939 schrieb sie ihrem Sohn, dass er sich dort „drüben schon glücklicherweise denkbar heimisch“ fühle - so sehr, so fügte sie dann doch ein wenig enttäuscht hinzu, „daß Du am liebsten unseren Rat wegen der Anmeldung beim amerikanischen Konsulat nicht befolgen möchtest“. Von Leopold ausdrücklich um ihre Meinung gefragt, antwortete Erna Schönenberg: „Die ist kurz gesagt folgende: Ich freue mich von ganzem Herzen, daß Du Palästina als Deine wirkliche Heimat ansiehst. Seit meinem 18. Lebensjahr bin ich schließlich Zionistin, und in Deinem Verwurzeltsein mit dem Lande sehe ich ja die Ideen und Gedanken der eigenen Jugend verwirklicht. Niemals werden wir so egoistisch sein, Dich aus dem Lande weglotsen zu wollen, wenn alle Möglichkeiten dort für Dich gegeben sind, d.h. wenn Du Dein Brot verdienst und Du Dich da glücklich fühlst.204 Um die Jahreswende 1937/38 scheint Leopold Schönenberg in Palästina „angekommen“ zu sein. Wenn es ihm wohl auch weiterhin nicht leicht fiel, sich in die von ihm als stark einschränkend empfundenen Bedingungen des „Gemeinschaftslebens“ einzufügen, war es nunmehr seine feste Absicht geworden, in Palästina zu bleiben und hier sein weiteres Leben zu verbringen. Das geht aus verschiedenen Äußerungen und kleinen „Umorientierungen“ hervor, auf die an anderer Stelle noch zurückzukommen sein wird. Dass sich seine Meinung im Laufe des Jahres 1938 dann weiter verfestigte, hing aber 203 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 13.3.1938. 204 Erna Schönenberg an Sohn Leopold, 14.1.1939. Impressionen aus der Lehrwerkstatt, 1937 (©Center for Jewish History)
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