M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a D i e L udw i g T i e t z - L e hrwe rks tat t, S E I T E 1 6 0 Der Ludwig Tietz-Lehrwerkstatt kam - wie den übrigen jüdischen Schulen oder schulähnlichen Einrichtungen in Palästina - neben ihrer eigentlichen Funktion noch eine weitere zentrale Aufgabe zu. Sie unternahmen nämlich alle sehr große Anstrengungen, um den Heranwachsenden neben Lehrstoffen auch eine nationale Identität zu vermitteln und in ihnen ein Gefühl der Zugehörigkeit zu „Erez Israel“ zu wecken. So wurde der Unterricht über die Geographie Palästinas als „Heimatkunde“ bezeichnet und umfasste viele Ausflüge in die nähere und fernere Umgebung, die zugleich auch drauf zielten, den Jugendlichen Grundzüge der zionistischen Ideologie näher zu bringen.217 Solche Ausflüge wurden auch seitens der Ludwig Tietz-Lehrwerkstatt häufiger unternommen, ohne dass sich hierüber konkrete Informatio217 Vgl. Segev, Palästina, S. 426. Mit Blick auf die Organisation der Jugend-Alija im Kibbuz Ein Charod wurde diesbezüglich berichtet: „Einen wesentlichen Beitrag zum Spracherwerb und zur Integration leistete offenbar eine Wanderfahrt mit der einheimischen Jugend, die ein Höhepunkt des Jahres für die Jugend-Alija gewesen war. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Reiseerfahrung war die Bekanntschaft mit der Geschichte des Landes und der Gegenwart des Jischuws, die Begegnung mit verschiedenen Persönlichkeiten und den Einwohnern Jerusalems sowie der Besuch wichtiger Orte des Judentums in Samaria, Massada und Jerusalem. Erst als die Gruppe in die anderen Teile des Landes zog, wurde Ein Charod damit in der Gruppe als ein gemeinsames ‚zu Hause‘ wahrgenommen. Damit trug die Wanderfahrt maßgeblich zur Integration bei und war ein wichtiger Schritt in Richtung der erhofften „inneren Revolution“. (Szamet, Jahr, S 211.) machen. „Ich kann ihm leider gar nicht helfen. Hoffentlich findet er eine gute Gesellenstelle.“215 Mutter Erna versuchte zum Jahresende 1939 in dieser Hinsicht Optimismus zu verbreiten. „Du, lieber Pold, steckst also schon in den Examensvorbereitungen. Mit größtem Interesse lesen wir von all den fachlichen Ausdrücken und den Prüfungsarbeiten.“ „Ganz besonders froh“ und erleichtert war man bei all dem in Köln über Leopolds Entschluss, nicht in einen Kibbuz zu gehen, sondern „in der Stadt Dein Heil zu versuchen“. Da das den Vorstellungen der Eltern sehr nahekam, sprachen diese ihm Mut zu. „Der Anfang in der Stadt ist bestimmt schwerer als in der Dir vorschwebenden größeren Gemeinschaft. Trotzdem sind wir sehr dafür, dass Du diesen Weg gehst und nicht den anderen. Eines Tages bist Du dann ein gut ausgebildeter Schlosser, der sein Brot gut verdient.“ Gerade in solchen Momenten zukunftsweisender Entscheidungen empfanden alle Beteiligten ihre räumliche Trennung als besonders schmerzlich. Sie müsse wohl „nicht extra betonen“, so schloss Erna Schönenberg ihr Schreiben, „wie leid es uns tut, dass wir Dir gar nicht ein bisschen helfen können“.216 215 Max Schönenberg an Schwager Julius Kaufmann, 22.10.1939. 216 Erna Schönenberg an Sohn Leopold, Dezember 1939. Die ersten Absolventen der Ludwig Tietz-Lehrwerkstatt auf Wanderfahrt (©Center for Jewish History)
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