M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a D i e L udw i g T i e t z - L e hrwe rks tat t, S E I T E 1 6 8 nen um die Schreibweise des Nachnamens sowie in Entscheidungen zur Umorientierungen in der alltäglichen Anwendung der Sprache. Den Beginn machten die teils heftigen, aber weitgehend noch auf pragmatischen Erwägungen fußenden Diskussionen zwischen Vater und Sohn hinsichtlich der Anpassung des Nachnamens an das neue Lebensumfeld. Da weder im Iwrith noch im Englischen Umlaute genutzt werden, wurde das „ö“ in „Schönenberg“ direkt zu Beginn von Leopolds Palästina-Aufenthalt für ihn zu einem lästigen Hindernis, das er schnell ausräumen wollte, hierbei aber auf den beharrlichen Widerstand seines Vaters traf. Er habe, so schrieb dieser im April 1937, nun erstmals eine Adresse in Iwrith geschrieben, was ihm große Mühe bereitet habe. Viel mehr als die ungewohnten Schriftzeichen störte Max Schönenberg aber die Entscheidung seines Sohnes, die Schreibweise kurzerhand seiner neuen Heimat anzupassen und in „Schenenberg“ abzuändern. „Das gefällt mir nicht.“ Wenn im Iwrith nun einmal kein „ö“ zur Verfügung stünde, würde er ein „oe“ bevorzugen und forderte seinen Sohn auf, sich „bei Eingeweihten“ zu erkundigen, ob das möglich wäre.236 Als das zu keinem positiven Ergebnis führte, was wohl insbesondere daher rührte, dass sich Leopold in dieser Frage als unzugänglich und in den Augen des Vaters sicherlich als starrköpfig erwies, holte der zwei Monate später in dieser Frage zu einer langen Erklärung aus: „Obwohl ich im Allgemeinen ein folgsamer Vater bin, erlaube ich mir heute ausnahmsweise eine kleine Eigenmächtigkeit. Du schreibst, ich dürfte keinen Anstoß nehmen an der Schreibweise ‚Schenenberg‘. Ich nehme aber doch Anstoß. Wenn die hebräische Sprache kein oe kennt und deshalb auch kein Zeichen für diesen Laut hat, so muß eben 236 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 11.4.1937. Das Verhalten von Leopold war in den Gruppen der Jugend-Alija wohl recht typisch. Nicht nur die Beherrschung des Hebräischen für das tägliche Leben in der neuen Umgebung stand dabei außer Frage, sondern kaum jemand zweifelte auch die ideologische Vorgabe der hebräischen Einsprachigkeit an oder bemühte persönliche Gründe für eine persönliche Anhänglichkeit an die deutsche Sprache. (Vgl. Szamet, Jahr, S 211.) Beg i nnende Umor i ent i erung Trotz aller väterlichen Skepsis gegen den Kibbuz als Lebensform und trotz den elterlichen Bestrebungen, ihren Sohn zumindest zur Beantragung einer Einreisegenehmigung in die USA zu bewegen233, lebte sich Leopold Schönenberg immer stärker in Palästina ein und bestätigte damit die Beobachtungen von Vertretern der Jugend-Alija. Chanoch Reinhold etwa hatte allgemein eine bewusstere Hinwendung der Jugendlichen zur neuen Heimat und deren Sprache im Laufe des dritten Jahres ihres Aufenthalts ausgemacht.234 Der Aneignung der hebräischen Sprache maß er zugleich eine „grundlegende“ Bedeutung zu, weil sich erst darin der wahre „Chalutz“, der wahre „Pionier“ zeige. Das ging bei den Verantwortlichen für die Jugend-Alija so weit, dass sie im Falle des Scheiterns des Versuchs, das Hebräische als Alltagssprache durchzusetzen, „nicht weniger als das Auseinanderfallen von privatem und öffentlichem Leben befürchten, wodurch dem sozialistischen Kollektiv im Kibbuz die vitalen Grundlagen entzogen worden wären“.235 Die Folgen derartiger Forderungen und Befürchtungen kamen im Verhalten von Leopold Schönenberg wohl gleich mehrfach zum Ausdruck. Am frühesten und intensivsten äußerte sich das in Form intensiver Diskussio233 Vgl. dazu bereits oben. Letztmalig brachte Max Schönenberg das Thema „Palästina oder ein anderes Land“ am Ende Januar 1939 in einem Brief zur Sprache. „Ich weiß, daß für Euch im Augenblick ein solcher Gedanke Verrat an Euren Idealen bedeutet. Aber es sind schon begeisterte Zionisten nach allen möglichen Ländern gegangen, da Palästina ihnen keine Existenzmöglichkeit bot, und da man von der Begeisterung allein nicht leben kann. Hoffentlich aber entwickelt sich die Lage in Palästina günstig.“ (Max Schönenberg an Sohn Leopold, 29.1.1938.) 234 Reinhold führte hierzu aus: „Nach Abschluss der zwei Jahre vollzieht sich offenbar von neuem der Einordnungsprozeß, nur wirklicher, vom Jugendlichen aus gesehen bewußter, und also verantwortlicher. Der Übergang zur Ganztagsarbeit und späteren Ansiedlung, zum Hebräischen als Alltagssprache und Kulturausdruck, die Notwendigkeit des Zusammenhangs mit der jüdischen Gesamtheit im Lande überhaupt und der Jugend insbesondere, die Schaffung eines geordneten gesellschaftlichen Lebens und die persönliche Fortentwicklung - all diese Aufgaben treten nun in ein neues, entscheidendes Stadium. (Chanoch Reinhold: Drei Jahre Jugendalija; in: Reichsvertretung, Eröffnung, S. 21.) 235 Szamet, Jahr, S 211.
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