Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a D i e L udw i g T i e t z - L e hrwe rks tat t, S E I T E 1 6 9 Recht erwidern, dass bei der ‚palästinensischen‘ Schreibweise der Name falsch gelesen werden muß. - Ich hoffe Du verstehst mich.“238 Dem war offenkundig nicht so, denn mehr als ein Jahr später war das zwischen Vater und Sohn schwelende Problem noch immer nicht aus der Welt geschafft. Er wolle ihn, so schrieb Max Schönenberg seinen Sohn im Oktober 1938, „jetzt nicht mit ö und oe quälen“, denn „in diesen schweren Zeiten gibt es andere Sorgen in Palaestina, als die Schreibweise Deines Namens“. Ein Nachgeben kam für ihn jedoch auch nicht in Frage: „Wenn es aber ruhiger wird, dann erfülle doch meine Bitte wegen des oe. Du bist im Irrtum, wenn Du glaubst, es sei praktischer, das bei Gelegenheit des palästinensischen Passes zu erledigen. Der wird höchstwahrscheinlich auf Grund des gültigen, also mit dem für Engländer und Iwrither unschreibbaren, mit „ö“ geschriebenen Namens ausgefertigt.“239 Leopold schlug aber auch seinerseits offenbar jeden Kompromiss aus, so dass ihm sein Vater weitere zwei Wochen später „mangelndes Verständnis“ dafür vorwarf, „worauf es mir bei der Schreibung Deines Namens ankommt“.240 Schließlich suchte der in der verfahrenen Angelegenheit Hilfe bei jüdischen Autoritäten und frage den für genau solche Problemlagen ins Leben gerufenen „Ausschuss der hebräischen Sprache“ (Wa’ad HaLaschon) in Jerusalem um Rat.241 Nachdem zwei Schreiben des Ausschusses „keine sachliche Antworten“ enthalten hatten, sondern lediglich die von Max Schönenberg als „hinhaltend“ empfundene Auskunft, „dass die schwierige Frage geprüft werden würde“, richte238 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 18.7.1937. 239 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 8.10.1938. 240 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 7.1.1939. 241 Der Ausschuss war im Jahr 1890 von Eliezer Ben-Jehuda gegründet worden und erarbeitete Regelungen für Iwrith als Alltagssprache. So sollte den aus zahlreichen Kulturen mit noch mehr Sprachen nach Palästina Einwandernden eine gemeinsame Sprache ermöglicht werden - nicht zuletzt, um das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken oder neu zu vermitteln. Der „Wa‘ad HaLaschon ha-ʻIvrit“ war der Vorläufer der noch heute existierenden „Akademie der hebräischen Sprache“ und regelte Orthoepie und Orthographie. (Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Wa%E2%80%99ad_ HaLaschon (9.6.2022).) bei fremden Worten dieser Laut möglichst genau umschrieben werden. Scho=enenberg ist gewiß nicht ganz richtig, aber 100 x richtiger als Schenenberg. Wenn man ein hebräisches Wort mit den Zeichen [..] o-e und nicht oe lesen muß, so werden diese Zeichen bei einem deutschen Wort nach deutschem Brauch oe und nicht o-e gelesen. Demnach ist meine Schreibweise nicht nur 100 x richtiger, sondern sie ist sogar richtig.“237 Die Schreibweise des Nachnamens durchzog auch in den folgenden Jahren die Korrespondenz zwischen Vater und Sohn und entwickelte sich dabei immer weiter zu einem augenscheinlich schier unlösbaren Problem. Während Leopold sich in dieser Hinsicht - und bald wohl nicht mehr allein aus pragmatischen Gründen - unbedingt umorientieren wollte, hielt Max Schönenberg ebenso unbeirrt an der alten Schreibweise fest, die so gar nicht in die neue Welt des Sohnes passen wollte. Zur Untermauerung seiner Sichtweise bemühte er auch Beispiele aus dem Kölner Raum. „Unser Name ist und bleibt für das Hebräische ein Fremdwort. Denke ‘mal daran, wie viel französische Namen es in Deutschland gibt. Als Kölner ist Dir der Name Charlier oder Guilleaume geläufig. Glaubst Du, dass Herr Ch. es sich gefallen ließe ‚Scharlieh‘ geschrieben zu werden, oder daß Herr G. sich mit ‚Giljom‘ zufrieden geben würde. Das ist die Logik Deiner Schreibweise.“ Zwar betonte er gegenüber Leopold, dass er mit ihm hinsichtlich dieser Frage „ins Reine kommen“ wolle, ließ zugleich aber keinen Zweifel daran, hierbei auf seinem Standpunkt zu beharren. Der lief eindeutig auf die Nutzung des „oe“ hinaus, dass dann, darauf legte Max Schönenberg größten Wert, „in allen amtlichen Schriftstücken, vor allem in Deinem Personalausweis bzw. Pass auch so geschrieben wird“. Vorbeugend versorgte er seinen Sohn bereits mit interessanten Argumentationshilfen: „Kommt man Dir mit dem Einwand, daß bei der Schreibung ohne Vokale der Name auch anders gelesen werden könnte, so kannst Du mit 237 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 12.6.1937.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTI5NTQ=