Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a B i l d t e i l V, S E I T E 1 7 3 teiligt gewesen sein dürften, stieß dabei auf sein besonderes Interesse, was insbesondere in der Bildserie über den imposanten Neubau der Schreinerei im August 1938 zum Ausdruck kommt. Es ist durchaus möglich, dass er hierzu nicht nur durch eigene Anschauung und Mitarbeit, sondern hinsichtlich des „künstlerischen“ Anspruchs durch eine entsprechende Berichterstattung in jüdischen Medien inspiriert wurde. So hatte etwa die „Jüdische Rundschau“ einige Monate zuvor begeistert über den Bau einer neuen „Speisehalle“ im Kibbuz berichtet, in der nun auch Leopold und die anderen Neuankömmlinge ihre Mahlzeiten einnahmen. Das Gebäude, so hieß es dort voll des Lobes, sei „imposanter Ausdruck einer Gemeinschaftsgesinnung“ und „eines produktiven Zusammengehörigkeitsgefühls“. Damit sei die Halle nicht nur als „Willensbekundung“ der Kwuza zu verstehen, sondern sie stelle „geradezu ein Symbol des ganzen Emek“ dar, „das hier, gleich hinter Haifa, seinen pionierhaften Sinn dokumentiert und den Sieg des gemeindlichen Willens“. Es dürfte gerade die jugendlichen Angehörigen der Ludwig Tietz-Lehrwerkstatt angesprochen haben, wenn es über ihre konkretes Lebensumfeld so pathetisch wie auch enthusiastisch weiter hieß: „Hier, in diesem größten Kibbuz des Landes, fühlt man in jeder Pflanze und in jedem Baum, in jeder Mauer und Wand das Ganze, das Insgesamte wachsen, und fast tausend Menschen, auf dem kleinen Raum einer aus den Bergen vorspringenden Schlucht, wachsen mit. (…) Hier fühlst du dich, Neuling in Erez Israel, gerechtfertigt in deinen Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen, hier fühlst du dich daheim, am Ziel jüdischer Fahrt.“254 - Wenn Leopold wohl auch nie zu einem tatsächlich begeisterten Fotografen heranreifte, werden derartige Aussagen nicht spurlos an ihm und der Auswahl seiner Motive vorübergegangen sein. 254 Jüdische Rundschau, 21.4.1938, S. 13. Stil und Inhalt von Artikeln wie diesem dürften es auch gewesen sein, der Max Schönenbergs mehrfach bekundete Skepsis gegenüber dem tatsächlichen Wahrheitsgehalt auch jüdischer Zeitungen wachsen ließ. fernen Palästina ein Stück weit auch aus Köln mitgesteuert und die Resultate seines fotografischen Wirkens wurden zu wichtigen Mitteln der gegenseitigen (visuellen) Kommunikation. „Deine Bilder haben uns viel Freude gemacht. Die Kindergruppen sind reizend“, lobte etwa Max Schönenberg im Januar 1939, um im direkten Anschluss daran seine durch eine Fotografie hervorgerufene Sorge über den körperlichen Zustand seines Sohnes zumAusdruck zu bringen. „Ein Bild hat uns nicht so gut gefallen: ein magerer junger Mann unter einem Palmendach. Zu diesem Hintergrund hätte uns ein etwas pausbäckigeres Gesicht besser gefallen. Versuch mal, ob Du das nicht in einigen Wochen ändern kannst.“252 Und auch Mutter Erna nutzte Fotografien von ihrem Sohn gern für derartige Ferndiagnosen: „Dein beigelegtes Bildchen aus Massad ist sehr nett, lieber Pold. Wir haben es sehr genau betrachtet, es liegt noch immer auf dem Rauchtisch und die Lupe liegt daneben. Allerhand lässt sich feststellen: 1. Ich habe tatsächlich schon einen ausgewachsenen grossen Sohn. Das Blusenhemd sitzt sehr spack, also ist er vielleicht doch etwas in die Breite gegangen, obwohl man es so nicht sehen kann. 2. Wir meinen der Unterkiefer sei tatsächlich nicht mehr so vorstehend. 3. Könnte man als Untertitel setzen: Pold-Reuben vor der Schur! Kommt der Friseur nach Massad auch nur alle 6 Wochen? Du hast eine anspruchsvolle Mutter, nicht wahr?253 Neben den Fotowünschen seiner Eltern konzentrierte sich Leopold Schönenberg wie erwähnt in den drei Jahren in Jagur darauf, das Arbeiten und Lernen in der Lehrwerkstatt, das Leben im Kibbuz und dessen Wachstum sowie Ausflüge in die nähere und ab 1939 auf fernere Umgebung fotografisch zu dokumentieren. Gerade die bauliche Weiterentwicklung Jagurs, an der die Schlosser- und Tischlerlehrlinge der Lehrwerkstätten wohl be252 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 7.1.1939. Bezug vermutlich auf Fotos Nr. 484, 485 und 498. 253 Erna Schönenberg an Sohn Leopold, 12.11.1939. Diese Aussage bezog sich auf Bild Nr. 524.

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