Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a E lt e rnhau s und K i ndh e i t, S E I T E 1 9 Wunsch, dass sein Sohn die Schule verlassen sollte, um sich im Zuge einer beruflichen „Umschichtung“ auf eine nunmehr gänzlich anders geartete Zukunft vorzubereiten. „Er sagte: Ich sehe für dich keine Existenzmöglichkeit, kein Weiterkommen. Du musst raus.“ Bestärkt wurde er in diesem Entschluss sicherlich durch Erfahrungen des Sommers 1935. Als sein bis dahin als erfolgreicher Kaufmann in Hildesheim wohnender und arbeitender Bruder Paul sich zur Emigration nach Palästina durchgerungen hatte, beschloss Max Schönenberg gemeinsam mit Ehefrau Erna und Sohn Leopold zu einem Abschiedsbesuch nach Hildesheim zu fahren, um anschließend den Sommerurlaub in Bad Harzburg zu verbringen. Die dort hautnah erlebten - wohl eher durchlittenen - massiven antisemitischen Angriffe16 dürften - natürlich neben dem Mitte September durch die Verabschiedung der „Nürnberger Gesetze“ ausgelösten Schockmoment - ihren Teil dazu beigetragen haben, den bereits ins Auge gefassten Beschluss schnellstmöglich zu realisieren. „Raus aus Deutschland“ lautete nun für viele die aktuelle Parole. Ende 1935 verließ daher auch Leopold ohne Abschluss das Hansa-Gymnasium. „Pold, der sich bis zum Schluß auf der Schule wohlfühlte, ist am 30. 0kt. abgegangen“, lautet am 20. November 1935 der Tagebucheintrag des Vaters. „Abgangszeugnis sehr schön. 10 mal gut, 3 mal genügend. Dennoch wird er einen praktischen Beruf ergreifen. Seit 15. November ist er Schlosserlehrling. Quod di bene vertant.17 Und die nähere Zukunft von Leopold war zu diesem Zeitpunkt längst festgelegt: „Hoffentlich können wir solange uns halten, bis Pold in Palästina ist.“ 16 Vgl. dazu ausführlich den entsprechenden Beitrag im „Begleiter“ unter https://sichtbar-machen.online/ begleiter/A1S3/. 17 Übersetzung: „Das mögen die Götter zum Guten wenden!“ geklatscht und ihn gelobt. „Bravo, Schönenberg. Gut gemacht.“ Nicht nur in der Schule wandelte sich das Bild nach 1933 kontinuierlich. Auch die Stimmung in der Nachbarschaft auf der Venloer Straße entwickelte sich stetig zum Schlechteren. Ein Nachbar beispielsweise, der Familie bis dahin durchaus freundlich zugetan, trug plötzlich eine SS-Uniform und wechselte mit den Schönenbergs kein einziges Wort mehr. „Plötzlich sah man die braune Flut.“ Entsprechend verdunkelte sich die Zukunftsperspektive, und Max und Erna Schönenberg beobachteten die politische Entwicklung in Deutschland nun immer stärker mit einer Mischung aus Angst und Fassungslosigkeit. Ihr ganzes Leben hatten sie sich ausdrücklich als Deutsche jüdischen Glaubens verstanden und sich im Land ihrer Geburt entsprechend sicher gefühlt. Noch im März 1935 wurde Max Schönenberg „im Namen des Führers und Reichskanzlers“ das „Ehrenkreuzes für Frontkämpfer“ des Ersten Weltkriegs verliehen worden. Doch immer deutlicher erkannten sie, in welcher Gefahr die jüdische Bevölkerung in Deutschland schwebte. „Das war ein großer Umschwung, und man musste sich in kurzer Zeit zu diesem Gedanken durchringen“, erinnerte sich auch Reuwen Schönenberg später an den an Fahrt aufnehmenden Prozess der notwendig werdenden Umorientierung. Jeden Tag sei in seinem Elternhaus nun über die jeweils jüngsten der immer neuen antisemitischen Beschlüsse der Regierung diskutiert worden: „Der Ausschluss der Juden aus der Universität, die Begrenzung der Ärzte, die Begrenzung der Rechtsanwälte.“ Während seine Mutter Erna jedoch zunächst noch gehofft habe, „dass Hitler nicht standhält und man in Deutschland irgendwann wieder zur Vernunft kommt“, sei sein Vater sehr viel weitsichtiger gewesen. - „Wenn auch nicht für sich selber.“ Ein Resultat dieser Umorientierung war dann der wohl von Max Schönenberg ausgehende

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