Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a B e s u ch d e r E lt e rn i n Pa l ä s t i na , S E I T E 2 2 6 den, keine für Erna und insbesondere Max Schönenberg akzeptable Emigration nach Palästina in Frage kommen würde. „Als meine Eltern mich 1938 besuchten“, so fasste Reuwen Schönenberg sehr viel später deren im Sommer 1938 gewonnenen diesbezüglichen Erkenntnisse zusammen, „sagten sie, sie wollten sich erkundigen, ob es in Palästina für Ärzte Möglichkeiten gibt. Da sahen sie zu ihrem Schrecken, dass es keine gab, denn es war eine Ärztesperre.“ Die sei aufgrund der durch Zuwanderung entstandene Ärzteschwemme in Palästina zu jenem Zeitpunkt derart ausgeprägt gewesen, dass viele eingewanderten Mediziner in völlig fachfremden Bereichen ihren Lebensunterhalt hätten verdienen müssen, was sich in bissigen Kommentaren niedergeschlagen habe: „Im Spaß erzählte man sich, auf Baustellen heiße es beim Anreichen von Steinen oft: ‚Bitte schön, Herr Doktor, danke schön, Herr Doktor.‘“261 Unter solchen Umständen sahen die Schönenbergs am Ende der Rundreise durch Palästina dort für sich endgültig keine Perspektive mehr. Erschwerend gesellte sich neben die politischen Unruhen im Land262 noch das Klima hinzu, das der herzkranken, noch in Köln weilenden Emma Kaufmann sicherlich erheblich zugesetzt hätte. Daher war die Entscheidung wohl bereits gefallen, als Erna und Max Schönenberg am 8. Juli 1938 für ihre Rückreise nach Deutschland erneut an Bord der „Sphinx“ gingen. Ein Beleg hierfür ist insbesondere der Abschiedsbrief, den sie dort umgehend an ihren Sohn richteten, und der die endgültige Trennung der Familie zementierte, was in den Grundzügen wohl auch allen Beteiligten schmerzlich bewusst war, wenn zu diesem 261 Audio-Interview mit Reuwen (Leopold) Schönenberg, NS-DOK, Tk933, ab 57:55. 262 In einem kurzen und undatierten autobiografischen Abriss schrieb Reuwen Schönenberg hierzu später, seine Eltern hätten während ihres Besuchs feststellen müssen, „dass die Situation in Palästina sehr gefährlich sei und Deutschland sicherer“. Alles, was in den hebräischen Zeitungen gestanden habe, sei für sie „Fälschung“ gewesen, weshalb sie deutschen Zeitungen tatsächlich eher Glauben geschenkt hätten! (NS-DOK, N 67: Handschriftliches Manuskript (Digitalisat): Großvater Reuwen Schönenberg (Leopold Herbert). (Übersetzung aus dem Hebräischen.) man aus seiner Gesetzgebung gemacht hat. Wir fahren jetzt nach Palästina. Wir werden unsern Jungen wiedersehen. Vielleicht werden wir uns in diesen Wochen auch entscheiden, ob wir in Palästina unsere Jahre beschließen wollen. Ein schwerer Entschluss. Und ein hartes Leben steht vor uns, wie auch die Entscheidung ausfallen mag. Möge sie zum Guten sein.“260 Am 13. Juni 1938 war es so weit: Erna und Max Schönenberg forderten ihren Sohn telegrafisch dazu auf, sich in der Ludwig Tietz-Lehrwerkstatt umgehend frei zu nehmen und sie am folgenden Tag in Tel Aviv zu treffen. Danach folgten vier ereignisreiche und schöne gemeinsame Wochen, während denen die drei weite Teile Palästinas bereisten. Sie sahen interessante Landschaften, badeten im Toten Meer und bestaunten Land und Leute. Gleichzeitig aber bewegten sie sich stets auch dicht am Rande eines Bürgerkrieges mit all seinen Gefahren und Einschränkungen. All das wurde dauerhaft fotografisch festgehalten, wodurch ungeahnt (?) die letzten gemeinsamen Bilddokumente entstanden. Zugleich wurde den Reisenden aber auch erschreckend deutlich, dass es unter den Bedingungen, die sie vorfan260 Tagebuch Max Schönenberg, Eintrag vom 8.6.1938. Diese Stellungnahme belegt Max Schönenbergs innere Distanz zum Judentum, die ihm - neben den bereits genannten Faktoren und politischen Vorbehalten - einen Wechsel nach Palästina noch weiter erschwert haben dürften. Max und Erna Schönenberg kündigen Leopold telegrafisch ihren Besuch an, 13. Juni 1938

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