M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a L e b e n i n Pa l ä s t i na und i m K i bbu z , S E I T E 2 5 2 Unruh i ge Vorkr i egsze i ten Bei all dem wähnte man, obwohl er nicht unmittelbar involviert war, stets auch Sohn Leopold in Gefahr, der über solche Aktionen zumindest berichtete. „Ganz so, wie Du uns die Entstehung der Siedlungen schildertest, hatte ich es bebildert im Nachrichtenblatt gelesen“, schrieb ihm Emma Kaufmann daraufhin im Mai 1939. „Von den Nachbarsiedlungen wird hilfreiche Hand geleistet, es ist geradezu erstaunlich, was an einem Tag geleistet wird, dazu die Unsicherheit, die Gefahr fürs Leben, wie mag alles noch enden?“265 Als Max Schönenberg seinem Sohn am 10. Juni 1939 schrieb, bezog er sich auf einen tags zuvor im „Jüdischen Nachrichtenblatt“ erschienen, mit „Ein Tag - ein Werk. Jüdische Siedlung in Erez Jisrael“ überschiebenen Bildbericht, der dessen eigene Ausführungen über solche Landnahmen gut ergänzen würde.266 Noch aber wurden die Absolventen der Ludwig Tietz-Lehrwerkstätten selbst nicht zu solch gefährlichen Unternehmungen herangezogen, wie Mutter Erna erleichtert klarstellte: „Deine Schilderung, lieber Pold, über den nächtlichen Aufbau einer neuen Siedlung war so packend, dass Oma und Vater allen Ernstes meinten, Ihr Jungen der Ludwig-Tietzschule wäret dabei gewesen. Ich widersprach direkt, denn mich berührt es immer wohltuend, dass Ihr stets geschont werdet, wenn irgendwie dicke Luft ist. Ottos Brief gab dann die Aufklärung: einer der dabei war, hatte es Euch so spannend geschildert.“267 - Die Briefe aus Köln und die Zeitungsberichte, die in ihnen aufgegriffen wurden, sind zugleich auch ein Beleg dafür, dass auch nach Niederschlagung des „Arabischen 265 Emma Kaufmann an Enkel Leopold, 14.5.1939. 266 Vgl. Max Schönenberg an Sohn Leopold, 10.6.1939. 267 Erna Schönenberg an Sohn Leopold, 11.6.1939. Auch nach ihrer Rückkehr nach Köln blieben sie in steter Sorge, die - so lange sie erscheinen konnte - durch regelmäßige Berichte der „Jüdischen Rundschau“ über arabische Überfälle auf der einen und die Errichtung immer neuer „Turm- und Mauer-Siedlungen“ auf der anderen Seite weiter befeuert wurde.264 264 Vgl. hierzu einführend etwa Segev, Palästina, S. 414 und Edlinger, Geschichte, S. 40f., der von 36 derartigen Kibbuz-Gründungen bis 1939 spricht, die von Freiwilligen aus anderen Kibbuzim mit Suchlicht in Nacht-und-Nebel-Aktionen errichtet wurden. Im „Palästina-Blatt“ der Jüdischen Rundschau erschien am 25.3.1938 ein Bericht über eine solche an einem Tag durchzuführende „Gründung“ eines „Siedlungspunktes“, in dem es hieß, dass bereits eine Viertelstunde nach Anlieferung einer zerlegten Holzbaracke deren ersten Außenwände gestanden hätten. „Diese Art der Besitznahme des Bodens (…) ist ein besonders eindrucksvolles Symbol des Aufbauwillens des jüdischen Volkes in Palästina, der auch in schweren Tagen nicht erlahmt.“ In der Jüdischen Rundschau vom 29.3.1938, S. 6, wird ausführlicher über den Angriff auf eine solche neu angelegte „Turm- und Mauer-Siedlung“ berichtet und mitgeteilt, dass sich die Siedlung - Chanutah - auf KKL-Boden befinde und besonders fruchtbar und „vielversprechend“ sei. Bis dahin hatten sich dort noch keine Juden niedergelassen, weshalb Chanutah als „neue Siedlung an der Nordgrenze Palästinas“ demnach erster „Vorposten“ sei. Nunmehr hielten sich dort rund 100 Siedler auf, die meisten als „Hilfspolizisten“ bewaffnet, denen etwa 300 freiwillige Arbeiter beim Aufbau des Dorfes helfen würden. Im „Palästina-Blatt“ vom 1.4.1938 wird - mit Abbildungen - dieser Tag der „Landnahme“ von Chanutah aus Sicht eines Beteiligten geschildert. Auch diese ging nicht ohne bewaffnete Konflikte vonstatten (vgl. ebenda, S. 10). Die Zeitung berichtete immer wieder - sich im Frühjahr/Sommer 1938 zahlenmäßig deutlich steigernd - über solche Landnahmen und daraus resultierende, von ihr als „Terrorwelle“ bezeichnete bewaffnete Konflikte. Wie intensiv die Jüdische Rundschau im Hause Schönenberg rezipiert wurde, belegt die Klage von Emma Kaufmann, nachdem das Blatt nach dem Erscheinen seiner 7. Nummer am 25.1.1938 bis zum 1.3.1938 verboten wurde. Sie sah sich von allen Informationen aus Palästina abgeschnitten und schrieb ihrem Enkel: „Wir sind, seitdem die Rundschau fehlt, gar nicht mehr so im Bilde, wie es dort aussieht.“ Entsprechend groß war die Erleichterung dann Anfang März: „Ich freue mich so sehr, daß die Rundschau wieder erscheint.“ (Emma Kaufmann an Enkel Leopold, 19.2. und 6.3.1938.) Diese Form der Landnahme wurde auch filmisch festgehalten und zu Werbezwecken eingesetzt. Vgl. hierzu etwa den Film „Build in a Day“ unter https://www.youtube.com/ watch?v=1C6CfmQsa-4&t=189s. Leben i n Paläst i na und i Als Erna und Max Schönenbergs ihren Sohn in Palästina besuchten, war dort der „Arabische Aufstand“ noch in vollem Gange.
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