Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a L e b e n i n Pa l ä s t i na und i m K i bbu z , S E I T E 2 5 4 Auch Leopold Schönenbergs Onkel Julius Kaufmann nahm im fernen Shanghai Anteil an der brisanten politischen Situation und dem damit eng verknüpften Schicksal seines Neffen. Er habe gerade, so schrieb er ihm am 1. Juni 1939, in der „North-China Daily News“ „von der Bombenexplosion im Jerusalemer Rex-Kino“ gelesen.273 Dabei handele es sich lediglich um „eine der vielen Nachrichten aus Palästina“, die er täglich zu lesen bekomme und auf die er sich „zuerst stürze“, weil sie ihn schmerzlich an seinen Neffen erinnern würden sowie „die vielen Bekannten und die Tausende Anderer, die in Erez sind und mit denen wir uns verbunden fühlen“. Auch Julius Kaufmann hatte die Konflikte um das „Weißbuch“ in den Wochen zuvor „mit besonderer Spannung und Besorgnis verfolgt“ und zeigte sich ebenfalls hochgradig enttäuscht und alarmiert. „Es ist bitter daran zu denken, daß die Balfour-Deklaration praktisch aufgehoben ist. Verstehen kann man natürlich die Beweggründe Englands, die in der politisch-militärischen Mittelmeersituation liegen. Nur, daß die Befriedung und der Ausgleich mit den Arabern, wie lange zu befürchten war, auf unsere Kosten geschehen ist, ist schmerzlich für uns.“ Alles Weitere lag - wie so Vieles zur Jahresmitte 1939 - im wenig ermutigenden Unklaren. „Die Gegenmaßnahmen der Juden verfolgen wir mit großem Interesse. Zur Zeit ist alles unübersichtlich und die Zukunft unklar.“274 Das änderte sich dramatisch mit dem Beginn des Krieges in Europa am 1. September 1939, der auch die Einstellung der jüdischen Bevölkerung 12.6.1939. 273 Hierbei handelte es sich nicht um ein arabisches Attentat auf Angehörige der jüdischen Bevölkerung, sondern um einen Bombenanschlag der jüdischen Untergrundorganisation „Irgun“ auf das erst am 6.6.1938 eröffnete populäre Kino „Rex“, in dem neben Western und bekannten europäischen Filmen hauptsächlich arabische Streifen aufgeführt wurden. Dem Anschlag fielen am 29.5.1939 unmittelbar vor der Vorführung eines „Tarzan“-Films fünf Araber zum Opfer, 18 weitere Menschen (10 Araber, 6 Briten, 2 Juden) wurden verletzt. (Vgl. ausführlich https://blog-nli-org-il.translate. goog/en/hoi_jerusalems-rex-cinema/?_x_tr_sl=en&_x_ tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=sc (13.6.2022). 274 Julius Kaufmann an Neffen Leopold, 1.6.1939. rung der britischen Politik als inakzeptabel und bezog vehement Stellung gegen das „Weißbuch“. Sein Sohn, so berichtete Max Schönenberg Ende Mai 1939, sei „durch die politische Lage sehr niedergedrückt“. „Das Weißbuch vernichtet allzuviele unserer Hoffnungen.“270 Fortan beobachtete der 19-Jährige die politischen Entwicklungen und Ereignisse in Palästina aufmerksam und besorgt. „Von Pold hatten wir einen Brief. Es müssen in Haifa, Tel Aviv und Jerusalem imponierende Massenkundgebungen gegen das Weißbuch stattgefunden haben“, hieß es bereits zwei Tage später. Der besorgte Vater kommentierte: „Leider kam es in Jerusalem nach der Kundgebung zu Disciplinlosigkeiten einiger Heißsporne und dadurch zu blutigen Krawallen. Im ganzen Jischuw melden sich die jungen Männer und Frauen zum freiwilligen Dienst bezw. Hilfsdienst. Hoffentlich findet man eine würdige und annehmbare Lösung ohne Gewaltprobe“.271 Das hoffte Max Schönenberg nicht nur mit Blick auf die konkrete Zukunft seines Sohnes, sondern für das gesamte jüdische Volk und sein Bemühen um eine endgültige „Heimstatt“. „Die Nachrichten aus Palaestina beunruhigen mich“, griff er das Thema zwei Wochen später erneut auf und ließ seine jede Form von Radikalismus ablehnende Analyse folgen: „Die ungünstige Lösung, die das Weißbuch ankündigte, hat die radikalen Elemente beider Parteien zu erhöhter Aktivität gereizt. Ich könnte mir vorstellen, dass der Langmut des britischen Löwen sich mal erschöpfen könnte, daß er seine Vorderpranken nicht nur dazu braucht, um beim Schlaf den Kopf darauf zu legen. Und bei einem solchen Rencontre dürften wir als die schwächsten Geschäftsteilhaber wohl den Kürzeren ziehen. Aber wie soll man Fanatikern Vernunft predigen. Sie haben ja Wachs in den Ohren.“272 270 Max Schönenberg an Schwager Julius Kaufmann, 28.5.1939. 271 Max Schönenberg an Schwager Julius Kaufmann, 30.5.1939. 272 Max Schönenberg an Schwager Julius Kaufmann, Jüdische Demon

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