M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a L e b e n i n Pa l ä s t i na und i m K i bbu z , S E I T E 2 5 7 Wunsch zu haben, die Füße auch einmal unter den eigenen Tisch setzen zu wollen, kann ich mir nicht vorstellen.“ Sollte sich der Wunsch nach einem eigenen Heim nach jahrelangem Kibbuz-Aufenthalt dann aber doch noch durchsetzen, so warnte die besorgte Mutter, stünden die Betroffenen ohne jeden eigenen Besitz da und müssten den Kibbuz völlig mittellos „leer“ verlassen. Hierin erblickte sie ohnehin „die schwächste und angreifbarste Stelle der ganzen Kibbuzfrage“. Ihr, so Erna Schönenberg abschließend, wäre es am liebsten, wenn Leopold - gern mit Unterstützung der Lehrwerkstatt - in städtischer Umgebung eine feste Stellung als „Nurschlosser“ finden würde, in der er sich weiterentwickeln könne. „Ihr alle steht ja vor denselben Fragen, und ich kann mir denken, dass Ihr sehr lebhaft über diesen Fragencomplex diskutiert.“280 Auch Vater Max machte sehr deutlich, dass er hinsichtlich der Zukunft seines Sohnes „kein Anhänger des Kibbuz“ sei. „Wohl erkenne ich die Bedeutung dieser Organisation für den Aufbau des Landes, aber für Dich denke ich in den mir gewohnten individualistischen Formen. Ich halte es für richtig und würde es sehr begrüßen, wenn Du in einem modern eingerichteten und geleiteten Betrieb eine Stelle suchen und sogar finden würdest.“ Zugleich warnte er Leopold vor übereilten Schritten in eine seines Erachtens grundlegend falsche Richtung, denn es sei nun einmal „ein großer Unterschied, ob Du Dich und Deine Zukunft schon jetzt in einem Kibbuz vergräbst, oder ob Du Dir erst eine gründliche Ausbildung verschaffst“. Dazu aber biete der Kibbuz nun einmal „keine Gelegenheit - und wenn Dir auch hundert Mal das Gegenteil versichert wird“. Natürlich könne man dort zu einem guten „Dorfschlosser“ werden. „Aber Dein Streben geht – hoffe ich – höher.“ Zugleich rieten beide Eltern ihrem Sohn zur Rücksprache und Beratung mit und durch den gerade von Köln nach Palästina auswandernden Paul 280 Erna Schönenberg an Sohn Leopold, 12.11.1939. ausreichen. In Köln wurden derartige Erwägungen aber ohnehin längst nicht mehr in Betracht gezogen, weil man dort nach dem Palästina-Besuch im Vorjahr und insbesondere nach Beginn des Krieges endgültig beschlossen hatte, darauf zu verzichten, „dass wir Dir in solch schweren Jahren auf die Pelle rücken müssen“. Stattdessen bedauerten Erna und Max Schönenberg als „gute Eltern“, ihrem Sohn „nicht materiell zur Seite stehen zu können“. In allererster Linie, darin waren sich Max und Erna Schönenberg hinsichtlich der Zukunftsplanung einig, müsse an eine gute „fachliche Weiterausbildung“ ihres Sohnes gedacht werden. In dieser Gerade in dieser Hinsicht schätzten sie die Perspektiven in einem Kibbuz jedoch als sehr begrenzt ein. Sicher könne Leopold auch dort „dazulernen, aber Du schreibst ja selbst, dass Du genauso gut zu anderen Arbeiten herangezogen werden könntest“. „Du hast es eben dann nicht mehr in der Hand, Dich als Nur-Handwerker weiter auszubilden“. Das erschien den Eltern keine Option, nachdem es der Familie mit viel Mühe und unter Aufbringung erheblicher Summen doch immerhin gelungen war, „dass wir aus dem Zusammenbruch Dir wenigstens den handwerklichen Beruf retten konnten“. Der erschien ihnen nun unter den Bedingungen des gerade begonnen Krieges „noch immer die beste Basis für den weiteren Lebenskampf zu sein“. Immerhin aber räumten Erna und Max Schönenberg auch ein, selbst eben „nicht in den Gedankengängen des Kibbuz erzogen worden“ zu sein, weshalb sie sich „solch ein freiwilliges stetes Zusammenleben mit einer ganzen Menschenschar nicht vorstellen“ könnten, so lange es aufgrund wirtschaftlicher Notwenigkeit nicht unumgänglich sei. Mit Blick auf das Gefühlsleben ihres Sohnes nahm Erna Schönenberg in dieser Frage einen eher vermittelnden Standpunkt ein. „Wohl kann ich verstehen, wenn man aus Idealismus einige Jugendjahre dem Kibbuz opfert, d.h. einige Arbeitsjahre. Dass man sich ein ganzes Leben aber im Kibbuz glücklich fühlen soll, ohne den
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