M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a L e b e n i n Pa l ä s t i na und i m K i bbu z , S E I T E 2 5 8 hatte, werde er anschließend zunächst zu den Spiers übersiedeln, schrieb Erna Schönenberg, während Vater Max zum Ausdruck brachte, wie „sehr uns das beruhigt“, dass der Sohn nunmehr bei den alten Freunden mit am Tisch sitze. Nun warte man in Köln gespannt auf dessen Bericht über die Abschlussprüfung in Jagur.284 Offenbar zeichnete sich aber bereits früher eine Lösung in der Berufsfrage ab. „Wir vermuten unseren Pold in Jerusalem“, wo er eine erste Anstellung gefunden habe, berichtete Erna Schönenberg ihrem Bruder Julius am 11. März 1940 nach Shanghai. Allerdings sei er, nachdem er sich „so sehr an den Gedanken gewöhnt“ habe, Familie Spier beim Aufbau zu helfen, „nicht ganz leichten Herzens“ dorthin, ergänzte sie. „Ich hätte ihn auch lieber in der Tel Aviver Gegend gewußt; dort hatte er Bekannte, Freunde und Verwandte. Ich bilde mir ein, in Jerusalem empfindet er das Alleinsein mehr.“285 Immerhin begleitete ihn ein ehemaliger Kollege aus der Lehrwerkstatt nach Jerusalem, wo beide eine laut Max Schönenberg „schlechtbezahlte Anfangsstelle“ gefunden hatten, so dass sie, von Beginn ihres Palästina-Aufenthalts an Mitglied der Gewerkschaftsbewegung „Histradrut“, um Lohnerhöhung nachfragen wollten. „Widrigenfalls wollen sie die Arbeit niederlegen“.286 Leopolds eigene rückschauende Darstellung fiel zwar sehr knapp aus und lässt - wohl dauerhaft - viele Fragen offen, nennt aber einen weiteren bzw. anderen Grund für das schnelle Ende der Beschäftigung. Demnach hatte er in Jerusalem zunächst eine Anstellung beim Heizofenhersteller Friedmann gefunden, bis er sich eines Tages als Angehöriger der Arbeiterjugend im „Histadrut“ an einer Demonstration gegen das „Weißbuch“ der britischen Mandatsmacht beteiligt habe. „Am folgenden Tag wurde mir der Arbeitsplatz gekün284 Erna Schönenberg an Sohn Leopold, 24.2.1940 und Max Schönenberg an Sohn Leopold, 25.2.1940. 285 Erna Schönenberg an Bruder Julius Kaufmann, 11.3.1940. 286 Erna Schönenberg an Bruder Julius Kaufmann, 17.3.1940. Spier, dessen Sohn Otto gemeinsam mit Leopold ja vor der gleichen schweren Entscheidung stünde.281 Tatsächlich entschied sich Leopold Schönenberg (zunächst) gegen eine Zukunft im Kibbuz, die er rückblickend so begründete: „Ich wollte nicht. Da kam wieder der Individualtrieb. Ich sagte: ‚Nein, ich will selbstständig sein.‘ Wir waren im Ganzen vier, fünf Leute, die nicht in den Kibbuz gehen wollten.“282 Ein solcher Entschluss war zwar schnell gefasst, allerdings erwies es sich als weitaus schwerer, anschließend auch tatsächlich eine Anstellung zu finden. Als auch ihm das nicht gelingen wollte, wandte sich Leopold auf Vorschlag seines Vaters an Familie Spier, die ihm das Angebot unterbreitete, sie beim Aufbau ihres kleinen Hauses und Geschäfts handwerklich zu unterstützten, bis er eine feste Stelle als Schlosser gefunden habe. Damit war der zeitliche Druck aus der Entscheidungsfindung herausgenommen und aus dem Blickwinkel von Max und Erna Schönenberg zugleich die Gefahr gebannt, dass ihr Sohn mangels Alternativen sich doch noch zum Verbleib in einem Kibbuz entscheiden würde. Am 26. Dezember brachte Max Schönenberg seine Dankbarkeit und Freude hierüber zum Ausdruck. „Wir warten gespannt auf die Nachricht, ob Du eine richtige Stelle gefunden hast“, ließen sie Leopold nun weit entspannter wissen, denn der hatte die Zusage, so lange wie es sich als nötig erweisen sollte, bei den Spiers unterkommen zu können.283 Das kam schließlich tatsächlich so, denn da Leopold bis zur Beendigung der Ausbildung in der Ludwig Tietz-Lehrwerkstatt noch keine feste Anstellung gefunden 281 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 12.11.1939. 282 Audio-Interview mit Reuwen (Leopold) Schönenberg, NS-DOK, Tk933, ab 1:20:40. 283 Max Schönenberg an Sohn Leopold, 26.12.1939 und Max Schönenberg an Schwager Julius Kaufmann, 5.1.1940. Familie Spier war augenscheinlich in Beth Jizchak, einer als „Moschawot“ bezeichneten Siedlungsform deutscher Juden in der Nähe von Natanya, untergekommen. Dieses Dorf war eine weitere Siedlungsvariante, die aber nicht wie ein Kibbuz auf kollektiver oder wie ein Moschawim auf genossenschaftlicher Basis organisiert, sondern eher mit damaligen europäischen Dörfern vergleichbar war. Solche Ansiedlungen entstanden durch Privatinitiativen von Auswanderern und zeigten sich von Beginn an für privatwirtschaftliche Unternehmungen offen.
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