M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a L e b e n i n Pa l ä s t i na und i m K i bbu z , S E I T E 2 6 0 ser Mangel an Selbstvertrauen, Dich aus eigener Kraft durchzusetzen? Meinem Persönlichkeitsgefühl, meinem Vertrauen auf eigenes Können entspricht Dein Vorhaben nicht. Ich fürchte, Du versinkst in der Masse, und wir sähen Dich gern - für Dich, nicht für uns - über der Masse.“294 So nachvollziehbar das Beharren der Eltern auf ihrem Standpunkt aus ihrer Sicht auch gewesen sein mag, so unberücksichtigt ließ er Leopolds zunehmend schwierige reale Lage in Palästina. Die unqualifizierte und wenig zukunftsträchtige Mitarbeit beim Hausbau der Spiers bot keinerlei Zukunftsperspektive, und auch die Entlohnung für diese Arbeiten konnte angesichts von deren eigenem Status als Neuankömmlinge mit knappen Finanzmitteln nicht eben üppig ausfallen. Daher dürfte es primär eine Reaktion auf seine konkreten Lebensumstände und weniger eine Ideologische oder gar eine Entscheidung gegen den Standpunkt der Eltern gewesen sein, die Leopold Schönenberg dann letztlich doch zum Eintritt in einen Kibbuz veranlasste. „Die Tatsache, daß der junge Mann großjährig ist“, so beklagte Erna Schönenberg Anfang März 1941, „bekundete er durch seinen Entschluß, in eine der vielen Genossenschaften einzutreten.“ Den Eltern in Köln blieb nichts, als diese Entscheidung zu akzeptieren und anzunehmen. „Wir sind sehr wenig erbaut davon und können es doch nicht ändern. Pold ist genauso ein Kind seiner Zeit und seiner Umgebung, wie wir und jede Generation Kinder ihrer Zeit sind und waren. Mir tut es aufrichtig leid, daß er für seine Person darin das Heil sucht. Er tröstet uns zunächst damit, daß er die Sache erst ‘mal ½ Jahr zur Probe macht. Sein Freund Otto aber ist der anscheinend wohlbestallte Schlosser des Dorfes, der imMai Hochzeit macht.“295 - Gerade die Tatsache, dass sein enger Freund Otto, bei dessen Eltern er ja Aushilfsarbeiten leistete, zur gleichen Zeit Schlosser eines Kibbuz geworden war und in naher Zukunft hei294 Max Schönenberg an Sohn Leopold (über Nichte Gerda), 18.11.1940 295 Erna Schönenberg an Bruder Julius Kaufmann, 8.3.1941. gezwungenen Hilf- und Tatenlosigkeit nur zu bewusst: „Er muß schon früh selbständig sein und selbständig denken. Es ist sehr schade, dass ihm die väterlichen Ratschläge fehlen.“ Stand der Dinge war laut eines am 25. Oktober von Gerda Schönenberg in der Schweiz verfassten Briefes, dass Leopold weiterhin bei Familie Spier lebte und für sie tätig war, was ihm weiterhin „gut gefalle“. Dennoch, so hatte er seiner Cousine gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht, hoffte er, „wieder in seinen richtigen Beruf zu kommen - und zwar in der dort üblichen Gemeinschaftsform.“ Offenbar war der damit umrissene Weg in einen Kibbuz für Leopold mittlerweile zur einzigen und letzten verbliebenen Option einer aktiven Zukunftsgestaltung geworden, was seine Eltern tief und schmerzhaft traf. „Ich habe ihm sofort durch Gerda sagen lassen, daß mir seine Pläne nicht gut zu sein scheinen, daß mir die Tätigkeit eines freien - und später selbständigen - Handwerkers richtiger erschien.“ In Köln blieb jedoch nichts mehr als die Hoffnung, dass „Gerda Einfluß auf ihren Vetter hat“.293 Vor diesem Hintergrund beschloss Max Kaufmann sich trotz aller postalischen Probleme nochmals in grundsätzlicher Form an seinen Sohn zu wenden, um ihn vom angekündigten Schritt abzuhalten. Hierzu verfasste er einen formal an Gerda Schönenberg in die Schweiz adressierten Brief, der die Zensur anstandslos passierte und anschließend von dort nach Palästina weitergeleitet werden konnte, wo er tatsächlich Leopold erreichte. Hierin brachte er seine großen Sorgen wegen des „schweren Weiterkommens“ seines Sohnes zum Ausdruck. „Gewiss sind wir Spiers sehr dankbar, dass sie sich Deiner angenommen haben. Aber das ist ja etwas Vorübergehendes. Sehr bedrückt mich der Gedanke, dass Du eine solche Vorliebe für die ‚Gemeinschaft‘ hast. Gewiss hast Du uns Deinen Standpunkt vor langen Monaten ideologisch begründet. Liegt aber darin nicht doch ein gewis293 Max Schönenberg an Schwager Julius Kaufmann, 17.11.1940.
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