Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a L e b e n i n Pa l ä s t i na und i m K i bbu z , S E I T E 2 6 3 palästinaweit 71 im September 1939 auf 126 im Mai 1945 zu erhöhen. Im Schnitt wurde in diesem Zeitraum somit alle 38 Tage ein neuer Kibbuz gegründet.302 Hatten 1940 insgesamt 26.554 Menschen in 82 Kibbuzim gelebt, hatte sich deren Zahl bis 1950 schließlich auf 67.550 in 214 solcher Siedlungen stark erhöht.303 Bei Gründung des Staates Israel im Mai 1948 lebten etwa 8 Prozent der Gesamtbevölkerung des neuen Staates in einem Kibbuz; 2014 waren es dann nur noch 1,8 Prozent. Das mit dieser spezifischen Lebensform verfolgte Ziel lässt sich in aller Kürze so zusammenfassen: Sämtliche damals in einem Kibbuz wohnenden und arbeitenden Chawerim waren in ihren Rechten und Pflichten gleichgestellt, wobei die dort zu verrichtende Arbeit täglich neu auf sämtliche Schultern verteilt wurde. Außerdem wurde in einem zentralen Speisehaus gemeinsam gegessen, wobei auch der Einkauf für den gesamten Kibbuz zentral erfolgte. Vergleichbares galt für die Herstellung und die Verteilung der benötigten Kleidung. Über allem stand das Grundprinzip, dass alles, was im Kibbuz vorhanden war bzw. erwirtschaftet wurde, allen dort Lebenden gehörte und daher auch geteilt wurde. Auch die Erziehung der Kinder wurde als gemeinsame Aufgabe begriffen und den jeweiligen Eltern weitgehend aus der Hand genommen. Stattdessen wurden die Kinder in der Kwuza betreut, wuchsen dort in eigenen Gruppen auf und lernten gemeinsam. Hierzu wurden - je nach Kibbuz unterschiedlich - Säuglinge bereits von Geburt an in einem eigenen Kinderhaus mit Gleichaltrigen erzogen, was dazu führen konnte, dass selbst Geschwister in unterschiedlichen Kindergruppen untergebracht wurden. Das alles diente dem Ziel, die als überkommen empfunde302 Vgl. Edlinger, Geschichte, S. 42ff. Auf das Thema Kibbuzim wird hier nur soweit eingegangen, wie es zum Verständnis der Lebensgeschichte und der Fotos von Reuwen Schönenberg notwendig und sinnvoll erscheint. Auf eine Auseinandersetzung mit der Kibbuzbewegung (Kibbuz Movement) wird gänzlich verzichtet. 303 Zahlen nach https://de.wikipedia.org/wiki/Kibbuz (11.6.2022). Im K i bbuz Die Jahre bis dahin verbrachte er nach langem, nicht zuletzt auf die entsprechenden Warnungen seiner Eltern zurückzuführendes Zögern dann tatsächlich im Kibbuz. „Als ich 21 Jahre alt war, wollte ich in einen Kibbuz gehen. Man schickte mich in den Kibbuz Giv’at Chaim“300, brachte er als einzig überlieferte Mitteilung über diese Phase seines Lebens später kurz und wenig präzise zu Papier. Er habe, so hielt er lediglich fest, dort anschließend drei Jahre „mit einem Freundeskreis“ verbracht. Erst danach habe die Gruppe beschlossen, in den Kibbuz Beit Oren zu wechseln, „um dort zu helfen“. „Ich fuhr mit einem Fahrrad von Giv’at Chaim nach Beit Oren, um Erkundigungen einzuholen.“ Anschließend sei die gesamte „Jugendgruppe“, wie er sie titulierte, in den Kibbuz aufgenommen worden.301 Ehe das Wenige, was über den Lebensweg Reuwen Schönenbergs zwischen 1941 und 1948 auf Grundlage seiner eigenen Erinnerung bekannt ist, zusammengefasst wird, gilt es einige generelle Worte über die Lebensform „Kibbuz“ zu verlieren, denn nur so lassen sich seine lediglich sehr rudimentär beschriebenen Fotos, die er ab Anfang 1944 in erheblicher Zahl aufnahm, besser einordnen und zumindest in Ansätzen verstehen. Mit dem Ende des „Arabischen Aufstands“ flaute die Errichtung von „Turm- und Mauersiedlungen“ stark ab. Es gelang aber auch in den Jahren danach weiterhin, in den Kreisen vorwiegend junger Neueinwanderer genügend Interessierte zu rekrutieren, um die Zahl der Kibbuzim von 300 Givat Chaim war ein Kibbuz etwa fünf Kilometer südlich von Chadera und nördlich von Netanja. 301 Dies und das Folgende nach NS-DOK, N 67: Handschriftliches Manuskript (Digitalisat): Großvater Reuven Schönenberg . (Übersetzung aus dem Hebräischen.) Leider wurde Reuwen Schönenberg zu dieser Phase seines Lebens nie näher befragt, so dass nicht nur zahlreiche Daten und Fakten, sondern insbesondere die Zusammenhänge und „Grauzonen“ dauerhaft weitgehend ungeklärt bleiben müssen. Im Rahmen des bereits mehrfach angeführten Interview mit dem NS-DOK im Jahr 2000 verblieb im Rahmen des eng getakteten Besuchsprogramms der Stadt Köln für ehemalige jüdische Bürgerinnen und Bürger leider keine Zeit für ein längeres Gespräch. Insofern handelt es sich bei den hier genutzten Materialien leider um die einzigen zu seiner weiteren Lebensgeschichte verfügbaren Informationen.

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