Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a J üd i s ch e J u g e ndb ewe g ung , S E I T E 6 7 Bekunden in keinem der jüdischen Bünde Kölns aktive Rabbinersohn Hermann Simons die damalige Lage seiner Altersgenossen auf den Punkt: „Es ist doch heute so: Täglich strömen mehr junge jüdische Menschen den verschiedenen Jugend-Organisationen mit immer anders lautenden Zielen zu. Schon vor der für uns deutsche Juden neu geschaffenen Lage hatte die Jugend allgemein das Bestreben, sich zu organisieren. Heute, nach der Umwälzung, ist der Wunsch, sich einzugliedern, viel stärker geworden.“24 Neben zahlreichen Problemen warf das auch hinsichtlich der Haltung der Eltern viele Fragen auf, denn diese, so berichtete Simons, würden „meist von ihren Kindern vor die vollendete Tatsache gestellt“, dass diese längst „die24 Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Köln, 2.11.1934. Dort auch das Folgende. Hermann Simons wurde am 22.8.1913 in Köln-Deutz als Sohn des Rabbiners Dr. Julius Simons und dessen Frau Veronika geboren. 1935 scheint er - gemeinsam mit seinem Bruder Kurt - nach Belgien emigriert zu sein, wo er offenbar ein bereits in Deutschland begonnenes Medizinstudium abschließen konnte. Am 15.8.1941 brach Hermann Simons mit seiner 1917 geborenen Frau Mirjam dann nach Frankreich auf, wo er verhaftet, interniert und am 25.11.1941 als „staatenlos“ erklärt wurde. Als er vor dem Zugriff der deutschen Besatzer von Frankreich aus in die Schweiz fliehen wollte, wurde er - so die rückblickende Formulierung seines jüngsten Bruders Ernst - an der Grenze „direkt in die Hände der Gestapo“ zurückgeschickt und zunächst wohl im Lager Belfort, später dann in Drancy interniert. Von hier aus wurde er gemeinsam mit seiner Frau am 31.8.1942 mit dem Ziel Auschwitz-Birkenau deportiert, jedoch am Bahnhof in Cosel rund 60 km vor dem Ziel selektiert und bis mindestens Mitte 1943 als Arzt in mehreren Arbeitslagern eingesetzt. Danach verliert sich seine Spur. Hermann Simons wurde - wie die weitaus meisten Angehörigen seiner Familie - schließlich zu einem unbekannten Zeitpunkt (vermutlich) in Auschwitz ermordet und später für tot erklärt. (Die Informationen nach Datenbank NS-DOK, Interview Ernst Simons sowie Hinweise von Thomas Kahl, der gemeinsam mit Dirk Erkelenz z.Zt an einer Publikation über jüdische Schülerinnen und Schüler an Kölner Gymnasien arbeitet.) Die Lebensgeschichte von Ernst Simons findet sich hier https://quellen.verschwundenes-sichtbar.de/info.aspx?id=38116=38, eine komprimierte Video-Biografie ist hier in „Begegnungen“ einsehbar. geschlossenen Gruppen organisiert hatten.23 Das war nicht eigentlich überraschend, denn da die jüdischen Bünde vom NS-Regime nicht verboten wurden, gerieten sie schnell in die Rolle der nahezu alleinigen Träger der immer stärker reduzierten Freizeitangebote für jüdische Jugendliche. Der hieraus resultierende breite Zulauf konzentrierte sich bald immer stärker auf zionistisch orientierte Bünde, da eine Emigration mehr und mehr zur einzig verbleibenden Zieloption wurde. Zwar gab es nach 1933 zunächst auch weiterhin Verbände, die den Versuch unternahmen, ihre deutsch-jüdische Identität zu bewahren und bündische Traditionen zu pflegen, doch verschwanden sie unter dem Druck der realen Verhältnisse mehr und mehr von der Bildfläche. - Das im Weiteren noch näher zu betrachtende kurze bündische Leben von Leopold Schönenberg ist ein gutes Beispiel für diesen recht schnell Platz greifenden Wandel. Im November 1934 brachte der nach eigenem 23 Vgl. Döpp, Jugendbewegung, S. 158. Die Mitgliederzahlen der insgesamt 97 jüdischen Jugendverbände im Deutschen Reich wuchsen von 26.000 im Jahr 1932 auf etwa 50.000 im Jahr 1935 an. Das entsprach einem Organisationsgrad von zeitweise knapp 60 Prozent innerhalb der gesamten jüdischen Jugend. Mutter Veronika, um

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