M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a J üd i s ch e J u g e ndb ewe g ung , S E I T E 6 8 lisch so viel jüdische Werte erwerben und sich aneignen, dass sie als vollwertige seelisch ausgeglichene jüdische Menschen das Leben meistern können. Jude sein heißt schicksalhafte Verantwortung der Menschheit gegenüber. Das ist es, was die Eltern beachten möchten, wenn sie über die Jugend-Organisationen urteilen. Nur wenn die Jugendorganisation diesen erzieherischen Wert für das Kind haben kann, wenn der junge Mensch so viel an jüdischer Substanz in diesem oder jenem Verein gewinnen kann, wenn die Jugendführer ausgeglichene, mit jüdischem Wissen reichlich ausgestattete, einwandfreie Persönlichkeiten sind, dann nur hat die Jugend-Organisation Sinn, und dann können die Eltern gewiss ohne bange Gedanken ihre Kinder sich organisieren lassen.“ Es sollte künftig also primär um „jüdische Substanz“, um Selbstbehauptung in einer zunehmend feindlich gesinnten und handelnden Umwelt gehen. „Ziel aller Jugend-Organisationen sollte sein: Durch das Studium und die gegenwartsnahe Verlebendigung des jüdischen Schrifttums und der jüdischen Vergangenheit Heranbildung jüdischer Menschen.“ Diese eindeutige Orientierung auf jüdische Werte und jüdisches Denken machte Hermann Simons als künftige Aufgabe und als Neuorientierung der Jugendbewegung aus. „Fangen wir nicht oben, sondern unten an. Lassen wir sie alle einstweilen bei ihrer Fahne! Aber sammeln wir sie alle um die jüdische Lehre, um das Studium der jüdischen Lehre.“ Um das in die Tat umzusetzen, forderte der wohl auch von seinem als Rabbiner tätigen Vater beeinflusste 21-Jährige ein auf die Kölner Verhältnisse angepasstes Modell. „In Frankfurt am Main versucht man mit Hilfe eines Jugendrabbiners die Jugendorganisationen näher zu bringen, näher untereinander, näher der jüdischen Gemeinde. Für Köln schlage ich einen anderen Versuch vor: Sämtliche jüdische Jugend-Organisationen verpflichten sich, in der Reihe ihrer Heimabensem oder jenem Bund beigetreten“ seien.25 „Wie reagieren die Eltern? Die einen schweigen etwas enttäuscht über diesen Entschluss ihrer Kinder, über ihre Entscheidung für ein Ziel, dass sie doch immer ablehnten und schütteln den Kopf: ‚Die Zeiten sind eben anders geworden!‘ Andere Eltern machen ihre Autorität geltend, und es kommt zu unschönen Debatten, bei denen es fast nie Sieger und Besiegte gibt, sondern gewöhnlich beide Teile missmutig den Wortekampf beenden müssen. Wieder andere stellen sich mit ihren Kindern um; das kann schon einmal eine glückliche Lösung sein.“ Der also offenbar nicht in der jüdischen Jugendbewegung organisierte Hermann Simons, dessen Sympathien ebenso wie jene der übrigen jugendbewegten Familienmitglieder nach Auskunft seines jüngeren Bruders zumindest bis 1933 wohl eindeutig der „deutsch-jüdischen“ Richtung zugeneigt hatten, sah spätestens mit dem Boykott am 1. April 1933 eine regelrechte Zeitenwende gekommen, die eine klare Umorientierung in dieser Frage erforderte. „Mögen unsere jüdischen Eltern noch so sehr der sogenannten Assimilation verhaftet gewesen sein, nach den Erfahrungen, die sie seit den Ereignissen des vorjährigen April gesammelt haben, werden sie bestimmt für das weitere Werden ihrer Kinder folgendes anerkennen: Den jüdischen Kindern muss jüdisch so viel geboten werden, dass sie trotz allem see25 In einer Replik auf die Ausführungen von Simons führte Hans Berkowicz - ebenfalls Kölner - zu diesem Aspekt zwei Wochen später aus (Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Köln, 16.11.1934) : „Der Bund als gestaltender Faktor in unserer heutigen Jugenderziehung ist für die jüdischen Eltern größtenteils ein Novum. Sie betrachten ihn als eine Begleiterscheinung des Umschwungjahres, sie stehen ihm vorerst verständnislos gegenüber. Das jüdische Kind, das vor 1933 als krassester Typ des Individualismus seinen eigenen Weg gegangen ist, findet heute seinen selbstverständlichen Platz im Bunde - im Kollektiv. Was ist nun der Bund, welche Intentionen hat er, ist er ein Produkt des Jahres 1933?“ Der 1911 geborene Berkowicz gehörte im Januar 1936 der Bundesleitung des „Jüdischen Pfadfinderbundes Makkabi Hazair Hanhalah Arzith“ an und war Mitherausgeber von deren „Mitteilungsblatt“. (Vgl. https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/download/pdf/9582292?name=Mitteilungsblatt%201%20Januar%201936).
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