M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a J üd i s ch e J u g e ndb ewe g ung , S E I T E 7 1 Zugleich gab man sich dort betont bündisch und wies - bevor das zur Jahreswende 1934/35 auch die Bundesleitung tat - bereits sehr früh den offenbar seitens des „Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ (CV)31 artikulierten Führungsanspruch im BDJJ deutlich zurück und betonte sowohl die Eigenständigkeit des Bundes als auch dessen Zugehörigkeit zur Bündischen Jugend.32 Insgesamt wurde so trotz aller äußeren Bedrängnis der Abgrenzung gegenüber der Generation der Eltern weiterhin ein großer Stellenwert beigemessen.33 Dies dürfte der Zeitpunkt gewesen sein, an dem auch Leopold Schönenberg dem BDJJ beitrat.34 miniert die Kombination eines Lebens in jüdischer Religion als „Mittelpunkt unseres gesamten Lebens“ und der „Liebe zum ewigen Deutschtum“. „Wir wollen deutsche Dichter lesen, deutsche Lieder singen und auf Fahrt die vielen versplissenen Fäden zu unsrer Heimat neu zu knüpfen versuchen. So wenden wir uns vor allem an Dich, jüdischer Junge und jüdisches Mädel, die Ihr zu uns kommen wollt, weil Ihr Euch ebenso aufrichtig jüdisch nennt wie Ihr den Mut habt, schlicht und stolz Euer Deutschtum zu bekennen.“ 31 Vgl. dazu einleitend https://quellen.verschwundenes-sichtbar.de/info.aspx?id=37557. 32 Ein solcher Anspruch kam im Rahmen des 2. Elternabends zum Ausdruck, den die Kölner BDJJ-Ortsgruppe in der ersten Dezemberhälfte 1934 veranstaltete und zu dem ranghohe lokale Vertreter von CV und RjF erschienen. „Der Leiter des Abends, Herr Dr. H. Jacobi, begrüßte als Gäste die Herren Dr. H. Callmann (CV) und A. Süskind (RJF) und entwickelte ausführlich das bündische Ethos in Abgrenzung gegen den zionistischen Totalitätsanspruch unter Betonung der Selbständigkeit des Bundes.“ (Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Köln, 14.12.1934). Diese klare Trennung wurde Anfang Februar 1935 nochmals betont: Der BDJJ, so hieß es am 1.2.1935 im „Gemeindeblatt“, bleibe eng mit CV und RfJ befreundet, „die ihn geschaffen haben, aber er ist entschlossen, ein unabhängiges Eigenleben zu führen“. 33 Vgl. Döpp, Jugendbewegung, S. 172. Der zunächst betonte ausgesprochen bündische Charakter des BDJJ geht beispielsweise aus der Schilderung der ersten „Führerinstruktions-Nachtfahrt“ in der Nacht vom 18. auf den 19. August 1934 hervor. Der Bericht ist abgedruckt im Gemeindeblatt vom 31.8.1934. Dort dominieren eindeutig bündische Stimmungslagen: „Letzter Appell. - Im Gleichschritt marsch, und hinein in die Nacht. Unbeschreiblich die Stimmung. Ein herrlich ausgestirnter Himmel, hoher Tannenwald. Kein Laut. Nur das Zirpen der Grillen und das Aufschlagen unserer schweren Nagelschuhe ist vernehmbar.“ Aber auch deutsch-nationale Orientierungen sind trotz aller Verunsicherung noch immer deutlich nachweisbar: „Wir näherten uns der Mitternacht. Kameraden, es ist 12 Uhr, wagte ich leise, ganz leise zu sagen. Und nun das überraschende: Erst leise, dann immer stärker und zuletzt brausend klang um Mitternacht ein Bekenntnis gegen den Himmel, das einem Schwur glich. Fünf Jungenkehlen sangen es: Deutschland, Deutschland, über alles, über alles in der Welt. Eine Strophe, zwei Strophen, dann verstummten wir. Wir waren uns über die ungeheure Tragik im Klaren, die über uns ist, wenn wir deutsch-jüdische Jugend heute dieses Lied aus tiefstem Herzen und aus innerster Überzeugung singen.“ 34 Darüber, dass eine Gewinnung neuer, auch für Führungsfunktionen einsetzbarer Mitglieder in der Bundesarbeit dringend notwendig war, bestanden von Beginn an auch im Kölner BDJJ keinerlei Zweifel, und die diversen Lager und Führertagungen werden wohl nicht zuletzt dem Zweck gedient haben, eine derartige zugleich aber auch ihre ersten Erfahrungen mit der organisierten jüdischen Jugendbewegung. In Köln dauerte es bis Juni 1934, bis eine solche BDJJ-Ortsgruppe ins Leben gerufen wurde.29 Das geschah im Rahmen einer Gründungsversammlung, die am 18. Juni im großen Saal der „Rheinlandloge“ in der Cäcilienstraße stattfand. Der Bericht des „Gemeindeblatts“ über dieses Ereignis war noch ganz durchtränkt von einer Orientierung am Deutschtum und dem Versuch, alte Werte in neuer Zeit zu verteidigen. Nachdem man, so hieß es einleitend, durch „eine schwere Zeit aus dem Zustand seelischer und wirtschaftlicher Sicherheit aufgerüttelt“ worden sei, sehe sich das deutsche Judentum vor die große Aufgabe einer neuen, würdigen Lebensgestaltung gestellt“. Bei dem Versuch, sein „Schicksal aus eigener Kraft zu meistern“ stehe der BDJJ im „Ringen um Erhaltung und Erneuerung in vorderster Linie“. Zwar wurde „ein unbedingtes und selbstbewußtes Bekenntnis“ zum Judentum verlangt, zugleich aber weiterhin auch die „seelische und geistige Verbundenheit mit deutscher Vergangenheit und Kultur“ und eine „unvergängliche Liebe zur deutschen Heimat“ gefordert. Daher sahen die Kölner BDJJ-Vertreter ihre Aufgabe in erster Linie darin, „ihrem deutsch-jüdischen Sein als einem gewachsenen Ganzen in deutschem Raum eine wertige und lebensvolle Gestaltung zu geben“. Auch am Rhein, so die klar ausgesprochene Hoffnung, hoffte man Mitte 1934 „nach Jahren der Zersplitterung in unzählige Vereine und Grüppchen“ durch ein Zusammengehen im BDJJ diesen Zustand zu überwinden und zu neuer Stärke zu finden.30 29 Vgl. hierzu ausführlicher Döpp, Jugendbewegung, S. 241ff. und den Artikel „Bund oder Verein?“ im Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Köln, 1.2.1935. Der „Deutsch-jüdische Wanderbund Kameraden“ bestand von 1916 bis 1932. Er strebte eine Erziehung seiner Mitglieder im Geiste der Bündischen Jugend an, wobei ihm als Idealbild zugleich der „deutsch-jüdische Mensch“ vorschwebte. Insgesamt zählte der Bund, in dem sich vor allem Kinder aus den „westjüdischen“, weitgehend assimilierten und liberalen jüdischen Elternhäusern zusammenfanden, bis zu rund 1.600 Mitglieder. (Vgl. auch Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 45.) 30 Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Köln, 15.6.1934. Die Gründung der BDJJ-Ortsgruppe Krefeld am 6.10.1934 wird in der Ausgabe vom 5.10.1934 ebenfalls im „Gemeindeblatt“ angekündigt. Auch hier do-
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