Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a J üd i s ch e J u g e ndb ewe g ung , S E I T E 8 2 die dortigen Verhältnisse schnell weitgehend in den Hintergrund des individuellen und des Gruppeninteresses. Stattdessen wurde in den Bünden nun in allen Einzelheiten diskutiert, wie das künftige Leben in „Erez Israel“ - also in Palästina - aussehen solle und mit welchen Erziehungsmethoden und welchem Lesestoff ein Jugendlicher am besten auf diese Zukunft in einer ihm völlig neuen und entsprechend fremden Umgebung vorbereitet werden könne. Das alles ging naturgemäß mit einer schnellen Auszehrung der einzelnen Organisationen und ihren lokalen Strukturen einher. So erfuhr auch die jüdische Jugendbewegung Kölns durch Auswanderung und Umorganisationen eine massive personelle Ausdünnung. Das verminderte die Arbeitsmöglichkeiten der Jugendbünde gerade in einer Zeit, in der angesichts der schnell und unkontrollierbar wachsenden Gefahren ihr regulierendes Wirken für Heranwachsenden besonders notwendig gewesen wäre. Jedenfalls setzte in Köln wie andernorts ab 1934/35 ein sich kontinuierlich beschleunigender Prozess der schrittweisen Auflösung der jüdischen Jugendbewegung ein. Die wurde bald aber auch von NS-Seite forciert. Bis Ende 1936 wurden im Reichsgebiet sämtliche nichtzionistisch orientierten Jugendbünde verboten. Aber auch die weiterhin bestehenden zionistischen Verbände sahen sich, obwohl zwischenzeitlich eher zu reinen Auswanderungsorganisationen geworden, permanent mit weiteren Einschränkungen ihrer Tätigkeitsbereiche konfrontiert, weshalb auch ihnen immer mehr der zusehends resignierenden Mitglieder der organisierten jüdischen Jugendarbeit den Rücken kehrten. Da es auch den Einrichtungen der jüdischen Selbsthilfe immer weniger gelang, die jüdische Jugend zu erreichen, kam es im Laufe des Jahres 1937 im jüdischen Lebensbereich schließlich zum „Ende der Bünde“.56 56 Vgl. Döpp, Jugendbewegung, S. 167 und Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 105. wissen Grad nach außen hin Normalität und Zuversicht vorgaukeln zu müssen.55 Das Leben in den einzelnen Bünden verlief in dieser Phase tatsächlich jedoch zumeist wohl in gänzlich anderer Weise und hatte nichts mehr mit den Realitäten der Jahre vor 1933 gemein. Während die Lektüre der auf Bewahrung der Ruhe setzenden offiziellen Veröffentlichungen der jüdischen Jugendbewegung und der Synagogengemeinden über weite Strecken den Eindruck vermittelt, dass jugendbewegtes Leben zwar unter großen Einschränkungen und veränderten Bedingungen zu leiden gehabt habe, im Großen und Ganzen jedoch weiterhin relativ geordnet verlaufen sei, sprechen interne Berichte aus den Reihen der jüdischen Jugendbewegung und private Zeugnissen ihrer Mitglieder eine oft völlig andere Sprache. In ihnen wird deutlich, dass die Jugendlichen im Bewusstsein eines absoluten Ausnahmezustands lebten und das ihrerseits oft als behäbig und verharmlosend wirkende Verhalten ihrer offiziellen Repräsentanten nicht nachvollziehen und akzeptieren konnten. Alle Aktivitäten wurden - immer im Rahmen der jeweiligen konkreten weltanschaulichen Ausrichtungen der einzelnen Gruppierungen - gänzlich durch die äußere Lage bestimmt, so dass sich gerade die hierdurch massiv betroffene jüdische Jugendbewegung „in einem Prozess ständiger improvisierter Anpassung“ befand und sich immer wieder an die sich schnell verändernden Umstände anpassen musste. Entsprechend solch ungünstiger Voraussetzungen war auch das Handeln der Kölner Gruppen ab etwa 1934 primär auf eine schnellstmögliche Ausrichtung an aktuellen Erfordernissen ausgerichtet. Außerdem waren sich die Aktiven mit großer Sicherheit bewusst, Zeugen und direkte Beteiligte eines tiefschneidenden Übergangs zu sein. Da angesichts der politischen Entwicklungen die Zukunft der Heranwachsenden aber nicht mehr in Deutschland liegen konnte, traten 55 Die folgende Darstellung folgt Döpp, Jugendbewegung, S. 192.

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