Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a E i n l e i t ung , S E I T E 9 fußt: „Im Bildlichen manifestieren sich Vorstellungen und Ideen von Gemeinschaft und Erziehung.“4 Ulrike Pilarczyk gliedert ihre Untersuchung in drei Abschnitte, deren erster sich auf Bildanalysen der deutschen Jugendbewegung der Weimarer Zeit konzentriert und daher hier weitgehend unberücksichtigt bleiben kann.5 Umso wichtiger sind die beiden folgenden Teile ihrer Studie. Im zweiten geht es mit Fokus auf Deutschland um die Jahre 1933 bis 1938, wobei neben den jüdischen Jugendbünden insbesondere der Hachschara als „zentraler Institution zur effektiven geistig-körperlichen und ideologischen Vorbereitung auf ein Leben in der Kibbuz-Gemeinschaft“ und der bildlichen Darstellung von deren Lagerleben besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daraus resultiert ein durchaus ambivalentes Bild: „Die erzieherischen Maßnahmen wurden bis 1938 durch mediale Bildentwürfe in der jüdischen Presse, Publizistik und im zionistischen Film begleitet, die körperliche Arbeit heroisierten und den ‚neuen‘ Juden (weniger die ‚neue‘ Jüdin) in raum-zeitlich entrückten Inszenierungen modellierten. Die privaten Fotografien der Jugendlichen zeigen das unmittelbare Lebensumfeld und den Alltag in der Gruppe. Sie vermitteln den offensichtlichen Wunsch nach Normalität.“ Ein solch eher widersprüchliches Setting macht Pilarczyk auch in vielen der von ihr herangezogenen autobiografischen zeitgenössischen Texte aus: „Einerseits boten die Zugehörigkeit zu einem Jugendbund und mehr noch zu einem Hach4 Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 7. Hierzu trug sie mit ihrem Team mehr als 18.000 analoge und digitale Reproduktionen von Fotografien aus Privatbesitz, Kibbuz- und staatlichen Archiven zusammen. 5 Das Folgende nach Pilarczyk, Gemeinschaft, S. 8f. Kibbuz genommen hätten, sei „weder geradlinig noch zwangsläufig“ verlaufen. Vielmehr sei das Phänomen, dass jüdische Jugendgruppen insbesondere nach 1933 in kollektive Siedlungen in Palästina gezogen seien, „Ergebnis eines vielschichtigen und widerspruchsvollen Transformationsprozesses“ gewesen, der seinerseits „durch innerjüdische, politische und soziale Entwicklungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg angestoßen“ worden sei. Nachdem der Glaube an den „Jugendbund als Faktor gesellschaftlicher Erneuerung“ während der Weimarer Republik von der gesamten deutschen Jugendbewegung geteilt worden sei, habe sich durch die aggressiv antisemitische NS-Politik ab 1933 insbesondere eine eindeutig zionistische Richtung herausgebildet, bei der die „Erziehung zu jüdischer Gemeinschaft“ das „zentrale Element des Wandels“ dargestellt habe. Im Laufe dieses Prozesses seien „bündisch inspirierte Erziehungsvorstellungen und -formen zunehmend von zionistischen Organisationen in Dienst genommen“ worden, um so „möglichst viele jüdische Jugendliche auf ein kollektives, sozialistisches Leben in Kibbuzzim in Palästina vorzubereiten“. Das habe letztlich vielen von ihnen das Leben gerettet. Das daraus zugleich resultierende „Fortleben jugendbewegter Erziehungsvorstellungen“ lässt sich nach den Erkenntnissen von Ulrike Pilarczyk „bis in die Gestaltung der pädagogischen Praxen und Räume der nächsten, im Kibbuz geborenen Generation hinein beobachten“. Diese Kontinuitäten möchte sie mit all ihnen innewohnenden Brüchen „in unterschiedlichen Perspektiven“ darstellen, wobei sie auf Quellen zurückgreift, „die in diesem Umfang für die Rekonstruktion historischer Erziehungsverhältnisse so noch keine Verwendung fanden - nämlich Bilder“, wobei diese Entscheidung auf einer Grundannahme

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