Mit der Kamera von Köln nach Palästina

M i t d e r K a m e r a v o n K ö l n n a c h P a l ä s t i n a Pa l ä s t i na , S E I T E 9 9 Das Paläst i nab i ld i n Deutschland Wie aber entstanden solch idealtypischen Bilder? Wer und was prägten die Vorstellungen von Palästina und dem dortigen Leben, die sich in den Köpfen immer mehr deutsch-jüdischer Jugendlicher ausbreiteten und sie zu dem zumeist ja sehr mutigen Schritt in eine unbekannte Welt motivierten? Wie nahm die Idee des „Pioniers“ Gestalt an, wie jene einer völlig neuer Lebensformen, die nichts mehr mit jener Welt zu tun hatten, in die man hineingeboren und in der man aufgewachsen und erzogen worden war? Bei der Verbreitung solchen Ideenguts spielten sicherlich die für jüdische Jugendliche im Reichsgebiet zugänglichen Medien eine zentrale Rolle, wobei sich das dadurch erzeugte und weitgehend präsente Bild von „Erez Israel“ hauptsächlich aus zwei Quellen speiste. Ein Teil der eigens oder zumindest vorrangig zu diesem Zweck produzierten Bilder stammte aus Palästina. Sie brachten den Betrachtern insbesondere Impressionen aus dem Umfeld der deutschen aus NS-Deutschland die Ansiedlung in Palästina gestattet zu haben. Stattdessen setzte sich mehr und mehr die Meinung durch, dass man - egal auf welche Weise - der jüdischen Seite untersagen müsse, das Einwanderungstempo weiter zu forcieren.83 Während des Kriegs kam die legale Zuwanderung dann nahezu vollständig zum Erliegen.84 Insgesamt wanderten zwischen 1933 und 1941 schließlich 55.000 bis 60.000 Jüdinnen und Juden aus Deutschland nach Palästina ein, unter ihnen etwa 6.000 mit ausländischer - meist polnischer - Staatsbürgerschaft. Damit nahm das Mandatsgebiet nach den USA die meisten jener Menschen auf, die vor dem NS-Regime geflüchtet waren. Das waren rund zehn Prozent der jüdischen Bevölkerung, die zur Zeit der NS-Machtübernahme Anfang 1933 in Deutschland gelebt hatten.85 Insgesamt wanderten während der Einwanderungsperiode der Jahre 1932 bis 1945 rund 278.000 (an anderer Stelle: 265.000) Personen in das unter britischer Verwaltung stehende Gebiet ein.86 Die meisten von ihnen, gleichgültig ob überzeugte Zionisten oder nicht, wollten in Palästina bewusst etwas Neues schaffen und mit dem Überkommenen brechen. Viele der Migranten wollten zugleich sich und anderen zudem ihren Leistungswillen und ihre „Tüchtigkeit“ unter Beweis stellen - Eigenschaften, die man der jüdischen Bevölkerung außerhalb von Geld- und sonstigen Geschäften in weiten Teilen Europas häufig genug absprach. Die ins Land gekommenen „Pioniere“ (Chalutzim) in den Kibbutzim verkörperten diesen Typus des Einwanderers wohl in deutlichster Ausprägung.87 83 Vgl. Segev, Palästina, S. 476 84 Vgl. Krämer, Palästina, S. 351f. 85 Die Zahlenangaben schwanken. Während Jüdische Emigration, S. 139f. eine Zahl von 55.000 angibt, nennen Heimat und Exil, S. 99 und „Künste im Exil“ 60.000. 86 Vgl. jüdische Emigration, S. 143 und https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Themen/palaestina. html (23.5.2022) 87 Vgl. Krämer, Palästina, S. 278 Seite aus der „Jüdischen Rundschau“, 6. Juni 1935

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